Stolperstein für jüdischen Arzt verlegt

Passbild von Georg Heinsius für die Einbürgerung 1939. | Foto: Archiv Freiberg
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Im bürgerlich geprägten Baumschulenweg lebten bis zum Beginn der NS-Diktatur Hunderte jüdische Mitbürger. Fast alle wurden vertrieben oder ermordet. An zwei von ihnen erinnern jetzt neue Stolpersteine.

Initiiert wurde die Verlegung durch Andreas Freiberg, der seit 2010 auf diese Weise die Spuren der Geschichte kenntlich macht. „Georg Heinsius hatte seine Arztpraxis in der Baumschulenstraße 90/91, er wohnte dort auch mit seiner Frau Gertrude. In einem Schreiben an das Entschädigungsamt erklärte seine Frau 1955, wie die Familie seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten schikaniert und behindert wurde“, erzählt Andreas Freiberg.

Der Hobbychronist hat entsprechende Unterlagen eingesehen und kopiert. Im Schreiben berichtet Gertrude Heinsius, wie die Krankenkassen dem praktischen Arzt die Zulassung entzogen haben. Als Dr. Heinsius versuchte, mit der gerade aufkommenden Farbfotografie medizinische Aufnahmen anzufertigen, zog die Polizei wegen einer möglichen Schädigung des Ansehen Deutschlands die Kamera ein. Auch das Familie Heinsius Anfang 1938 in die Wrangelstraße nach Kreuzberg zog, änderte nichts.

„Am 30. Juni 1939, zwei Monate vor Kriegsbeginn, konnten Georg und Gertrude Heinsius in die USA auswandern, auf dem Schiff „Hansa“ reisten beide nach New York. Zuvor mussten sie noch 5766 Mark als Sühnegabe zahlen.

Obwohl die beiden Berliner Juden ihr Leben retten konnten, brachte die Flucht Georg Heinsius kein Glück. Er sprach kaum Englisch, konnte in den USA deshalb nicht Fuß fassen und lebte mit seiner Frau fast mittellos. Ende 1941 wusste der einst beliebte Arzt keinen Ausweg mehr. Am 23. Dezember sprang er in der 94. Straße in Manhattan aus einem Fenster und war sofort tot. Unter Todesursache vermeldet die deutsche Übersetzung des Totenscheines „...mehrfache Brüche des Schädels, des Brustkorbs und der Glieder...“ Vermutlich ist Georg Heinsius aus größerer Höhe abgesprungen.

Gertrude Heinsius überlebte ihren Mann um 25 Jahre. Sie starb am 7. August 1965 in New York, vermutlich ohne Deutschland jemals wiedergesehen zu haben. Das entsprechende Schreiben vom Sohn Fred Heinsius an das Entschädigungsamt Berlin in der Potsdamer Straße ist das letzte Zeichen seiner Eltern.

Verlegt wurden die beiden Stolpersteine vor dem Haus Baumschulenstraße 91/92 von dem Künstler Gunter Demnig, der mit den kleinen Messingplatten seit 1992 Opfer des Nationalsozialismus ehrt. In Deutschland und weiteren europäischen Ländern hat er seitdem rund 61 000 Stolpersteine verlegt.

Die Steine für Gertrud und Georg Heinsius wurden von Bewohnern des Hauses und der Abgeordneten Katalin Gennburg (Die Linke) finanziert. Im Herbst will Initiator Andreas Freiberg eine Broschüre zu den Stolpersteinen im Ortsteil Baumschulenweg herausbringen.

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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