Für Jürgen Gäbel tat sich mit dem Mauerfall die Welt auf

Jürgen Gäbel hat zur Erinnerung an die Aufbruchszeit im Herbst 1989 ein Stück Stacheldraht vom Grenzstreifen in Berlin aufbewahrt. | Foto: hari
  • Jürgen Gäbel hat zur Erinnerung an die Aufbruchszeit im Herbst 1989 ein Stück Stacheldraht vom Grenzstreifen in Berlin aufbewahrt.
  • Foto: hari
  • hochgeladen von Harald Ritter

Biesdorf. Jürgen Gäbel arbeitet am Abend des 9. November 1989 in seiner Autolackierwerkstatt in der Oberfeldstraße.

"Donnerstags ging’s immer bis 22 Uhr. Ab Freitagmittag war dann Wochenende. Gut für die Kunden und für uns selbst", erinnert er sich. Erst bei spätem Abendbrot und Fernsehen zu Hause erfuhr der heute 59-Jährige, dass die Mauer offen war. Glauben konnte er das aber erst, als mehrere Sender es bestätigten. Etwas Unfassbares war Wirklichkeit geworden. Die Freude war groß, aber die Spannung blieb, ob sich damit wirklich alles ändern würde. Auch am nächsten Tag ging Jürgen Gäbel wie gewohnt zur Arbeit. Eigentlich wollte er sich nicht in die nach Westen strömenden Massen einreihen. Aber er hatte einem Freund versprochen, ihn am Abend zum Grenzübergang Sonnenallee zu fahren. Der Freund hatte ironischerweise wenige Tage vor dem Mauerfall von offizieller Seite die Ausreisegenehmigung erhalten.

Für Jürgen Gäbel selbst war die Ausreise keine Option. Zwar hatte er nicht mit dem politischen System in der DDR sympathisiert, war weder Pionier, noch in der FDJ gewesen. Aber seit seiner Schulzeit war klar, dass er einmal den elterlichen Betrieb übernehmen würde und der ließ sich nicht einfach in einen Koffer packen.

Bereits seit 1986 war er mehrfach zu Verwandtenbesuchen in die Bundesrepublik gereist. Gäbel erkannte schnell: "Das normale Leben der Bürger ist keineswegs so bunt, wie die Supermärkte es vermuten lassen."

Auf der Fahrt zum Grenzübergang Sonnenallee gab es keine Chance, aus der Autokolonne auszubrechen. Nachdem er seinen Freund ausgeladen hatte, fuhr er deshalb bei Onkel und Tante in der Fritz-Erler-Allee vorbei. "Die älteren Leutchen waren total überrascht und freuten sich mit mir", sagt Jürgen Gäbel. Ein Stück Stacheldraht vom Grenzstreifen ist bleibende Erinnerung an die Aufbruchszeit.

Familie Gäbel brachte die Wiedervereinigung viel Positives, auf betrieblicher wie privater Ebene. "Uns waren plötzlich Materialien und Werkzeuge zugänglich, von denen wir im Osten nur träumen konnten", erläutert der Unternehmer.

Lange gehegte Reisewünsche gingen in Erfüllung. Höhepunkt war ein "Sabbatjahr" 2010/11. Mit seiner Frau Gabi reiste Jürgen Gäbel einmal um die Welt. Beide wissen genau: "Freiheit, die Welt zu sehen, hat auch immer was mit nötigem Kleingeld zu tun. Für viele ist Reisefreiheit leider nur ein Begriff geblieben!"

Harald Ritter / hari
Autor:

Harald Ritter aus Marzahn

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 218× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 180× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 84× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 216× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.551× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.