Im Frauenladen gelingt der Schulabschluss doch noch

Am Ende doch noch Bildung: Elke Piechatzek unterrichtet Frauen, die zu Schulzeiten haderten und dann begriffen, was auf dem Spiel steht. | Foto: Schubert
  • Am Ende doch noch Bildung: Elke Piechatzek unterrichtet Frauen, die zu Schulzeiten haderten und dann begriffen, was auf dem Spiel steht.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg. Pauken für Spätzünderinnen: In 30 Jahren brachte der Frauenladen des Trägers abw Tausende Lernwillige auf den Weg der Bildung. Doch trotz anhaltenden Erfolgs steht das Projekt nun auf der Kippe.

Schulzeit ist Wechselzeit. Und Samantha hatte mit 14 einfach anderes im Sinn als Algebra, Gedichtinterpretation oder englische Vokabeln. Aber alle sieben Jahre pflegen sich Menschen bekanntlich zu verwandeln. Jetzt ist Samantha 21 Jahre. Und plötzlich entwickelte sie doch noch Lust am Pauken.

Dass das Thema Bildung einen neuen Stellenwert gewann, hängt auch mit einem Ort zusammen, an dem junge und nicht mehr ganz so junge Frauen sie in der richtigen Dosis bekommen: dem Frauenladen der gemeinnützigen Gesellschaft für Arbeit, Bildung und Wohnen (abw). Was den Unterschied zum Schulunterricht ausmacht, ist die Atmosphäre. "Unter Frauen geht es einfach lockerer zu", beschreibt Samantha die Stimmung im Klassenzimmer. Vorne steht in Person von Elke Piechatzek eine Lehrerin mit Geduld und Verständnis. Und über die Hefte beugen sich Kandidatinnen, die allesamt begriffen haben, dass dies vielleicht ihre letzte Chance ist, zumindest mit einfachem Schulabschluss im Berufsleben Fuß zu fassen.

Beim Lernen behilflich ist ihnen auch Antje Kaczmarek, die als eine von vier Vollzeitbeschäftigten Geschichte und Sozialkunde lehrt und darüber hinaus für die Berufsorientierung verantwortlich zeichnet. Dass in 30 Jahren die meisten Teilnehmerinnen den zehnmonatigen Kurs erfolgreich bestanden haben, hängt aus ihrer Sicht schon mit der Grundvoraussetzung zusammen: "Niemand zwingt die Frauen, hier mitzumachen - und darauf bauen wir", verweist Kaczmarek auf die Motivation durch den freien Willen. Von rund 18 Schülerinnen, die bei abw mit dem Lernen beginnen, bringt man immerhin 13 in die Prüfung. Und dann schleunigst in den Beruf.

Im Fall von Samantha ist bereits klar: eine Ausbildung zur Industriekauffrau ist das erklärte Ziel. "Aber natürlich brauchen sie auch einen Plan B und Plan C", warnt Kaczmarek vor übereilter Festlegung. Wie es mit dem Wunschjob funktionieren kann, beweist das Beispiel der polnischstämmigen Absolventin Ilona, die lange haderte, dann die Kehrtwende zum Guten schaffte und heute als Sanitäterin in einem Krankenwagen durch die Stadt düst. Nicht zuletzt aufgrund solcher Beispiele gewann die Einrichtung 2013 den Hatun-Sürücü-Preis, der besonderes Engagement im Sinne von Frauen würdigt.

Und die Kosten? Sie sind für Schülerinnen kein Thema dank einer kompletten Finanzierung durch den Europäischen Sozialfonds und die Senatsverwaltung für Arbeit. Doch ob diese Förderung auch in den nächsten Jahren Bestand haben wird, gilt derzeit als ungewiss. Eine bittere Note mischt sich also in die Feierlaune zum 30-jährigen Bestehen. Samanthas Zukunft dürfte nach dem Ende der Prüfungen in diesen Tagen gesichert sein. Nun ist es der Frauenladen, der zittern muss.

Der nächste Info-Termin zum Nachholen von Schulabschlüssen ist am Dienstag, 19. Mai, 11 Uhr in der Sophie-Charlotten-Straße 30a (Hinterhaus, 4. Etage). Weitere Informationen unter www.abw-berlin.de.
Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 95× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 539× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 504× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 456× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 480× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.