111 Jahre Kolonie Habsburger Ufer: Kleingärtner feiern ihre lange Existenz

Früher waren die Kleingärten ein Segen für die ganze Familie. | Foto: Kolonie Habsburger Ufer e.V.
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Charlottenburg. Auf der Mierendorff-Insel ist ein amtliches Stück Kleingartengeschichte verortet. Die Kolonie Habsburger Ufer freut sich in diesem Jahr über ihr 111-jähriges Bestehen. Nur der Blick in die Zukunft macht den Laubenpiepern Sorgen.

„97 Jahre unserer Existenz sind urkundlich belegt“, sagt Harald Lübeck, seit 16 Jahren Vorsitzender des Vereins, stolz. „Die Zeit davor wurde nur mündlich überliefert.“ Deshalb ist nicht ganz klar, wie die Kolonie genau entstand. In der Vereinschronik schreibt die stellvertretende Vorsitzende Christiane Heider: „Sie gründete sich im Jahre 1906 in der noch nicht dem Großbezirk Berlin zugehörigen Stadt Charlottenburg als 'Pflanzerverein Habsburger Ufer'. Es ist uns nicht bekannt, ob man sich bewusst in Abgrenzung zu den rigide verwalteten Armen- und Arbeitergärten des Deutschen Roten Kreuzes als ‚Pflanzerverein’ gegründet hat, ob es sich um einen Zusammenschluss von Berliner Sommerfrischlern handelte, die sich zwar ein Stück Pachtland, aber keinen festen Sommersitz auf dem Lande leisten konnten, oder ob die Gründung im Rahmen einer massenhaften Stadtflucht von Landwirten aus Berlin geschah, die aufgrund der Industrieansiedlungen speziell in Moabit keinen Boden mehr zur Bewirtschaftung und nicht mehr genug zu essen hatten. Üblicherweise verstanden sich die Pflanzerbewegungen jedoch als demokratisch verwaltete Bewegungen ‚von unten’.“

Turbulente Geschichte

Die 111 Jahre waren wie die gesamtdeutsche Geschichte turbulent. Die seit 100 Jahren selbstverwaltete Kolonie an der Ilsenburger Straße 24 hat Weltkriege überdauert, schwere Nachkriegssituationen gemeistert. Sie gab den Menschen im zerbombten Berlin Wohnraum und half ihnen dabei, Hungersnot zu überstehen.

Heute nutzen die Pächter der 92 Parzellen ihre Gärten zur Erholung und aus Freude an der Gartenarbeit, Nahrungserzeugung spielt kaum noch eine Rolle. „Die Zeiten, in denen die eigenen Äpfel mit einem Knüppel verteidigt wurden, sind vorbei. Wir müssen schon darauf achten, das die Pächter wenigstens das vorgeschriebene Drittel ihres Gartens der Aufzucht von Obst und Gemüse widmen“, sagt Harald Lübeck. Aber letztlich funktioniere das immer noch sehr gut.

Alle ziehen an einem Strang

Überhaupt ist der Kolonie-Chef sehr zufrieden mit dem Miteinander auf dem mehr als 26.500 Quadratmeter großen Areal. "Wir sind im Kiez gut angesehen, haben eine gute Struktur. Und unter meiner Ägide haben wir mittlerweile jeden vierten Garten an Mitbürger mit ausländischen Wurzeln vergeben. Engländer, Spanier, Italiener, Türken, Araber und Amerikaner – bei uns sind alle vertreten.“ Auch Investitionen trägt die Gemeinschaft mit. „Vor zwei Jahren mussten die Wasserleitungen saniert werden, das hat 100.000 Euro gekostet. Kürzlich haben wir dann noch die Wege, das Vereinshausgelände und die Erweiterung des Vereinsplatzes stemmen müssen. Das waren noch einmal 20.000 Euro. Alles selbst finanziert – ein Gewaltakt für uns.“

Erholen vom Alltagsstress, gemeinsam Fußball gucken im Vereinshaus, Freude an der Gartenarbeit und der Gemeinsamkeit – das alles steht auf den Parzellen zwischen dem stillgelegten Gaswerk Charlottenburg, Gaußstraße und Kaiserin-Augusta-Allee auf wackeligen Beinen. „Wir kämpfen seit Jahren um unser großes Ziel, unsere Existenz per Bebauungsplan sichern zu lassen – als Dauerkolonie.“

Wie lange sicher?

Zwar sei das Grundstück im Flächennutzungsplan als „grün“ ausgewiesen, aber das könne sich ganz schnell ändern, sagt Lübeck. „In der augenblicklichen Situation, in der alles nur nach Wohnungen brüllt, will sich der Bezirk meiner Meinung nach ein Hintertürchen für die Wohnbebauung offenhalten und redet sich auf Geld- und Personalmangel sowie auf Vorschriften heraus.“

Glück hatten die Gartenfreunde mit dem Wetter. Denn fast wäre das Sommerfest, mit dem die Gartenfreunde das Jubiläum würdigten, wegen Starkregens ins Wasser gefallen. Gegen Abend besserte sich das Wetter, „und dann war hier high life“, berichtet der Vereinsvorsitzende Harald Lübeck. maz

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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