Vom Leben lernen: Berliner Film "Caraba" kritisiert das Schulsystem

Set Villa Oppenheim. "Nicht so riesig, aber trotzdem Museumscharakter. Perfekte Proportionen. Genau das, was wir gesucht haben", sagt Produzent Joshua Conens. | Foto: Matthias Vogel
4Bilder
  • Set Villa Oppenheim. "Nicht so riesig, aber trotzdem Museumscharakter. Perfekte Proportionen. Genau das, was wir gesucht haben", sagt Produzent Joshua Conens.
  • Foto: Matthias Vogel
  • hochgeladen von Matthias Vogel

[span class="docTextLocation"]Charlottenburg.[/span] Sich vorzustellen, alle Schulgebäude sind über Nacht einfach verschwunden, ist nicht leicht, auch wenn es sicher der Traum vieler Jugendlicher ist. Die Handlung des Berliner Films „Caraba“, gerade unter anderem in der Villa Oppenheim frisch abgedreht, basiert genau auf dieser Vision.

Der Streifen konterkariert das Bildungssystem in Deutschland und startet mit einem „absurden Prolog“, wie es Produzent Joshua Conens beschreibt. In einer Traumsequenz stehen Schüler morgens ratlos vor leeren Wiesen, weil die Schulen verschwunden sind. In der Folge begleitet die Kamera fünf Protagonisten auf ihren Wegen, mit der neu gewonnenen Freiheit umzugehen. Am Ende lernen sie alle vom und durch das Leben, ganz ohne Lehrer.

Hier ist Lovis, 14 Jahre alt, der in einer eher „abgeranzten Gegend“ an der Kiez-Tischtennisplatte den Rentner Hermann kennenlernt. Der erkennt das Händchen des Jungen für Uhren und bringt ihm in seiner Werkstatt das Uhrmacher-Handwerk bei. Dort bewegt sich die 15-jährige Janne im familiären Spannungsfeld auf ihre Passion zu und wird schließlich Radio-Moderatorin. Und dann ist da auch noch Max, 15, der zwar als Maler mäßig talentiert ist, dank seiner exzellenten Wahrnehmungsfähigkeit aber Kunstwerke sehr gut beschreiben kann und deshalb Museumsführungen leitet. Eine kleine Liebesgeschichte ist eingebaut, die Bedeutung der Familie wird gezeigt und schließlich erfährt der Zuschauer auch, warum der Film überhaupt „Caraba“ heißt.

Radikale Schulkritiker

Eigentlich sei die Idee zu dem Streifen „auf dem Mist“ von Bertrand Stern gewachsen, sagt Conens, der im Vorstand des gemeinnützigen Neuköllner Vereins Zwischenzeit sitzt und viele medienpädagogische Filme produziert hat. Er habe den Philosophen vor vier oder fünf Jahren kennengelernt. „Wir sind beide radikale Schulkritiker. Und wir waren der Meinung, dass in der Diskussion um das Bildungssystem etwas fehlt.“ Nämlich die Antwort auf die Frage, wo der Mensch eigentlich wirklich lerne. „Und das ist sicher nicht in der Schule“, sagt Conens. „Wir wünschen uns zwar mündige Bürger. Aber woher soll das kommen, wenn wir sie durch eine abstrakte Einrichtung wie die Schule bevormunden?“ Die Figuren in „Caraba“ leben also das, was sie wollen, alles andere passiert von ganz alleine.

Dreieinhalb Jahre dauerte der E-Mail-Verkehr zwischen den beiden Machern, danach folgte ein Jahr der Konzeption. Andreas Laudert wurde als Drehbuchautor ins Boot geholt, Katharina Mihm als Regisseurin. Das Team wuchs und wuchs. Die Produktion seines Low-Budget-Filmes bezeichnete Conens beim Dreh in der Villa Oppenheim schließlich als „aufwendig“. An 40 Drehorten in Berlin sei man gewesen, mehr als 60 Rollen mussten besetzt werden. Besonders für Laudert sei es schwer gewesen, alles anspruchsvoll miteinander zu verweben, sagt Conens. Authentisch sollte der Film werden, die Gesellschaft repräsentieren und bloß nicht zu kitschig werden. „Nur weil wir uns eine Welt ohne Schulen wünschen, ist nicht alles rosarot. Ein echter Balanceakt.“

Bewusste Provokation

Conens will mit seinem Film nicht missionieren. „Caraba ist als bewusste Provokation zu verstehen und soll Anstoß für mehr Offenheit in der Diskussion sein. Ich selber bin politisch auch nicht dafür, Schulen abzuschaffen.“ Im Sommer 2018 soll das Werk auf einem Film-Festival mit Jury präsentiert werden und Ende 2018 in die Kinos kommen. Und dann hoffen alle Beteiligten, die mehr aus Idealismus als aus kommerziellen Gründen mitgewirkt haben, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Übrigens: Max, dessen Karriere als Museumsführer in der Villa Oppenheim verfilmt wurde, ist in „Caraba“ schließlich ganz etwas anderes geworden: Jugendschiedsrichter beim Boxen im Halbfliegengewicht. maz

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

7 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 198× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 156× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 52× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 203× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.536× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.