Der Lietzensee machte Irene Fritsch zur Autorin

Irene Fritsch am Tatort ihres neuesten Romans "Wilde Zeiten am Lietzensee". | Foto: Matthias Vogel
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Unbekannte haben einen Mann auf einer Brücke der Neuen Kantstraße brutal zusammengeschlagen, ihn auf einem der stufenlosen Wege hinab geschleift und seinen leblosen Körper im See versenkt. Schrecklich – und die Polizei tappt im Dunklen.

Ausgerechnet im Lietzenseepark, dort wo oft Idyll herrscht und Sauerstoffgehalt sowie Erholungswert deutlich größer sind als nur einen kräftigen Steinwurf weiter entfernt, musste das geschehen. Zugegeben, das Schicksal des Opfers ist tragisch, in diesem Fall steckt die wichtige Nachricht aber in der erwähnt hohen Lebensqualität dieser innerstädtischen grünen Lunge und im Terminus: „auf einem der stufenlosen Wege“. Kein Grund zur Aufregung, der Füller für den empörten Leserbrief darf im Etui bleiben. Denn das Verbrechen ist fiktiv und die Handlung aus dem Roman „Vier Schüsse am Lietzensee“ entliehen, eines der sechs Bücher aus der Feder der Schriftstellerin Irene Fritsch. Und davon kommt die Mörder auch nicht, Hobby-Detektivin Anna klärt auch diesen Fall auf.

Strudelloch aus der Eiszeit

Die 75-jährige pensionierte Lateinlehrerin Irene Fritsch ist im Viertel rund um den Lietzensee aufgewachsen. Über ihr geschichtliches Interesse und entsprechende Recherche ist sie zur Krimi-Autorin geworden, hat ihr Wissen in Geschichten rund um die Lehrerin Anna gepackt, die stets eher zufällig über Leichen stolpert und bei der Überführung der Täter den ermittelnden Behörden immer einen Nasenlänge voraus ist. NS-Herrschaft, die Zeit vor dem Mauerbau oder der Häuserkampf der 68er Generation – wer ihre Werke liest, wird nicht nur unterhalten, sondern auch historisch fit. „Hier in diesem Park spiegelt sich im Prinzip die gesamte deutsche Geschichte wider“, findet Irene Fritsch. „Streng genommen sogar mehr. Der See ist ein Strudelloch aus der Eiszeit, er hat deshalb keinen Zufluss. Sein Pegel richtet sich nach der Menge des Niederschlags.“

Anlage herausragend konzipiert

Weil dem so ist, musste der berühmte Gartendirektor Erwin Barth von allen Seiten Zugänge hinab in die Senke konstruieren, als er die Pläne für den in den Jahren 1919 und 1920 angelegten Park entwarf. Das tat er mit erstaunlicher Weitsicht, womit die „stufenlosen Wege“ ins Spiel kommen. Die wechselte Barth nämlich mit Treppen ab – damit auch Rollstuhlfahrer den Park nutzen können und Kinder im Winter Rodelbahnen haben. „Überhaupt hat er diese Anlage herausragend konzipiert“, sagt Fritsch. Die kleine Kaskade mit den Staudenrabatten neben dem Parkwächterhaus, das in jüngerer Vergangenheit dank bürgerschaftlichem Engagement und Geldern der Lottostiftung vor dem Abriss bewahrt werden konnte, die große Kaskade mit der Pergola am südlichen Ufer des durch die „Mordbrücke“ zweigeteilten Sees, das geschwungene Wegesystem, Skulpturen, Denkmäler, Bepflanzungen und der große Spielplatz – all das wirkt schon für den Laien wie eine perfekte Komposition. Für die unmerklichen Kniffe des Gartendirektors braucht es schon die Expertin: „Durch den Hohlweg vor dem Postgebäude in der Wundtstraße etwa wirkt der Park deutlich breiter als er eigentlich ist“, sagt Fritsch und deutet auf eine Treppe hinauf zur Herbarthstraße, an der das ehemalige „Nachbarschaftshaus am Lietzensee“ steht.

Ein Ort der Stille

Den denkmalgeschützten Lietzenseepark auf seine Geschichtsträchtigkeit sowie auf seine schöne und durchdachte Architektur zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht werden. Er ist vor allem Naherholungsgebiet – und zwar nicht nur für die Kiezbewohner. „Vom benachbarten Messegelände und dem ZOB kommen die Menschen hierher, um Zeit zu überbrücken. An schönen Sonntagen im Sommer ist dieser Park fast ein wenig übernutzt“, sagt Fritsch. „Ansonsten ist das hier ein sehr schöner Ort der Stille.“ Gut zu erreichen ist der im Verkehrsadern-Delta der A100 und des Kaiserdamms eingebettete Park auch, der S-Bahnhof Messe Nord ist um die Ecke. Und auf den Liegewiesen sowie der Terrasse des kleinen Restaurants im alten Bootshaus lassen sich gestresste Seelen bestens baumeln.

"Das kann doch eigentlich nicht sein"

Fritsch zählt zu den 200 Bürgern, die sich über den Verein „Bürger für den Lietzensee“ um die Belange des Parks kümmern. Deshalb ist sie auch über die politische Kleinwetterlage bestens informiert – und mit ihr nicht ganz zufrieden: „Die Parkpflege hat im Laufe der Jahrzehnte stark nachgelassen. Es wird zu wenig getan. Der Verein leistet sehr viel Arbeit. Das wird auch anerkannt und geschätzt, aber eigentlich kann es doch nicht sein, dass Steuerzahler das übernehmen“, sagt die Autorin.

Jubiläum steht an

2020 feiert die Stadt Berlin den 100. Jahrestag der Eingemeindung von Bezirken wie Charlottenburg. „Und der Lietzenseepark wird auch 100 Jahre alt“, sagt Fritsch und verknüpft damit die Hoffnung, dass wegen der beiden Jubiläen wenigstens größere Baustellen wie die immer noch nicht wieder aufgestellte Pergola der großen Kaskade und vor allem die Sanierung der maroden „Mordbrücke“ abgeschlossen werden. Weil ihr Geländer aus porös gewordenem roten Feldspat in die Tiefe zu stürzen droht, ist seit geraumer Zeit der Fußgängertunnel unter der Kantstraße hindurch gesperrt. „Es passiert einfach nichts“, moniert Fritsch.

Lesung aus "Wilde Zeiten am Lietzensee"

Die Autorin nimmt auf einer Bank in der Nähe des Parkwächterhäuschens Platz. Hier hat ihre Heldin Anna in ihrem neuesten Werk „Wilde Zeiten am Lietzensee“ die weibliche Leiche gefunden. „Es geht um Hausbesetzung, Wohnungskampf und die politische Atmosphäre der 68er in der City West.“ Mehr aus dem Roman verrät sie bei ihrer Lesung am Mittwoch, 21. Februar, die um 19 Uhr in der Ingeborg-Bachmann-Bibliothek, Nehringstraße 10, beginnt. Der Eintritt ist frei. Irene Fritsch am Tatort ihres neuesten Romans "Wilde Zeiten am Lietzensee".

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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