„Wir heben den Schatz der Seele“: Regina Liedtke über die Arbeit ihrer Kreativpraxis

Wo die Sprache aufhört, fängt das Unbewusste an: Regina Liedtke nähert sich den Leiden der Großstädter mit tiefenpsychologischen Mitteln. | Foto: Thomas Schubert
  • Wo die Sprache aufhört, fängt das Unbewusste an: Regina Liedtke nähert sich den Leiden der Großstädter mit tiefenpsychologischen Mitteln.
  • Foto: Thomas Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg. Künstlerin und Psychotherapeutin in einem: Regina Liedtke behandelt Beschwerden wie Burnout, Depressionen und Zustände der Trauer mit der Sprache der Bilder. Sie meint: Wenn die Seele gefangen ist, helfen ihr Farben und Formen bei der Befreiung.

Reporter Thomas Schubert traf die 64-Jährige in ihrer 2001 gegründeten Praxis im Künstlerhof Alt-Lietzow 12 zum Gespräch.

Wie kann die Kunst Menschen in Krisen helfen?

Regina Liedtke: Die Kunst gibt uns eine andere Möglichkeit, das Problem zu fassen – jenseits der Sprache, die manchmal sehr begrenzt bleibt. Menschen in psychischer Not können häufig nicht verbal ausdrücken, was tief in ihnen steckt und sie hindert, ihr Leben so positiv anzugehen, wie sie es möchten. Zwar spielt das Gespräch in meiner Therapie auch eine Rolle. Aber der Zugang zum Unbewussten ist über künstlerische Medien leichter und tiefgehender zu erreichen. Wir heben den Schatz der Seele. Und wir bleiben nicht an der Beschreibung der Probleme hängen. Schon wenn man die Farben auf den Tisch stellt, löst das etwas in den Klienten aus. Am Ende haben sie ein künstlerisches Ergebnis, das man anschauen kann. Viele sind dann erstaunt, was ihnen die Seele offenbart. Und dass sie manchmal auch Geschenke bereithält.

Nicht wenige ihrer Klienten sind Burnout-Patienten. Wie funktioniert Kunsttherapie in solch einem Fall?

Regina Liedtke: Meine Arbeit ist langfristig angelegt und die therapeutische Arbeit geht über ein bis zwei Jahre. Wenn jemand mit Burnout-Symptomen zu mir kommt, geht es darum, Überforderungsstrukturen herauszuarbeiten, die häufig in die Biografie zurückführen. Oft steckt ganz tief in den Menschen eine verborgene Botschaft: Ich werde nicht so angenommen wie ich bin. Der Mutter hat es nicht ausgereicht, dass man als Kind da ist. Es galt die Botschaft, man müsse sich nützlich machen. Manchmal haben Kinder auch das Gefühl, sie müssten erst für ihre Mutter sorgen, damit sie für sie sorgen kann. Solche Erfahrungen klären wir im Gespräch. Und wenn es ans malerische Gestalten geht, zeigt der Klient Bilder des verlassenen, des traurigen Kindes. In der Arbeit mit Ton kneten solche Menschen manchmal vergeblich das Material, bis die Tränen kullern. Aber dann haben sie am Ende etwas Herzförmiges in der Hand und sagen: Das Herz ist so kalt wie ein Stein. Und darin zeigt sich das Verhältnis zu den Eltern.

Vielleicht haben manche solcher Arbeiten Potenzial für eine Ausstellung. Stellen Sie die Ergebnisse zur Schau?

Regina Liedtke: Nein, das mache ich grundsätzlich nicht. Menschen, die zu mir kommen, stehen unter dem Schutz der Verschwiegenheit. Ich bin als Heilpraktikerin für den Bereich Psychotherapie hier niedergelassen und habe eine Schweigepflicht. Da gibt es klare Richtlinien. Selbst mit der Erlaubnis der Klienten würde ich Bilder nicht ausstellen.

? Unterstützen Krankenkassen Ihren Therapieansatz?

Regina Liedtke: Unser Gesundheitssystem ist so strukturiert, dass künstlerische Therapien nach einem langen, mühsamen Engagement der Berufsverbände im klinisch-stationären Bereich etabliert sind. Aber im ambulanten Bereich ist es nicht der Fall. Das heißt, Menschen, die zu mir kommen, zahlen ihre Therapie selbst. Und es muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Denn oft sind es Klienten, die dann besonders motiviert mitarbeiten. Sie fühlen sich bei den Sitzungen als Partner in ihrem eigenen Therapieprozess.

Am Donnerstag, 30. März, um 18.30 Uhr findet in der Kreativpraxis in Alt-Lietzow 12 der Einführungsabend für eine neue Selbsterfahrungsgruppe statt. Teilnehmer können sich anmelden unter  781 28 99 oder über www.kreativpraxis-berlin.de.
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 172× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 124× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 178× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.517× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.