Die Macht der Kleinen: Im Bezirksparlament ist man nach der Wahl womöglich zu acht

Die große Stunde der Kleinen? Auch Kandidaten, die nicht als Bürgermeisterkandidaten antreten, können im City West-Bezirk bald das Sagen haben. | Foto: Thomas Schubert
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Charlottenburg-Wilmersdorf. Wer im City-West-Bezirk Bürgermeister wird? Die großen Volksparteien CDU und SPD stellen Kandidaten. Aber Königsmacher werden am Ende wahrscheinlich die Kleinen sein.

Wenigstens 28 Stimmen der Bezirksverordneten wird es nach der Wahl am 18. September brauchen. Dann kann Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) sein Amt behalten. Oder wird es Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) sein, der die Mehrheit bekommt? Gibt es eine große Koalition mit einem der beiden Spitzenkandidaten auf dem Rathausthron? Oder sind es am Ende die Grünen, die bewusst ohne Bürgermeisterkandidaten ins Rennen gehen, aber den Posten gerade auf diesem Wege ergattern?

In kaum einem der zwölf Bezirke fallen Prognosen über die neuen Machtverhältnisse so schwer wie in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo schon 2011 ein knappes Ergebnis strategisches Geschick verlangte. Damals war die CDU mit 18 Sitzen mit der SPD gleichauf. Und dank Stimmen der Grünen (14 Sitze) gelangte SPD-Kandidat Reinhard Naumann ins Amt. Jetzt deutet sich an, dass SPD, CDU und Grüne noch dichter beieinander liegen als beim Ausgang der letzten Wahl. Und dass neue Kräfte in die BVV drängen, wodurch sich am Ende womöglich bis zu acht politische Gruppen gegenübersitzen. Aus dieser Gemengelage einen Bürgermeister zu ermitteln, braucht Überzeugungskraft. Und das Wissen darum, was die „Kleinen“ eigentlich wollen. Eine Übersicht.

Grüne: Mit ihren Spitzenkandidaten Petra Vandrey und Christoph Wapler hat die BVV-Mannschaft ein ganz konkretes Thema auf der Liste, das in anderen Programmen in dieser Schärfe fehlt: „Das Westkreuz zum Westkreuzpark machen“ fordern die Grünen. Und meinen damit ein Entwicklungsareal östlich des Bahnhofs Westkreuz, wo die Deutsche Bahn künftig einen neuen Zugang in die Kieze am Lietzensee und der Heilbronner Straße schafft. Hier entsteht auch eine neue Erholungsfläche, die man möglichst ansprechend gestalten will. „Der Park am Gleisdreieck zeigt, welch großartiges Potenzial eine untergenutzte Bahnbrache für die Naherholung in der Stadt haben kann“, heißt es im Programm. „Wir engagieren uns dafür, dass die Brachen zwischen den Gleisen zu einem naturnahen Stadtpark entwickelt werden.“ Ansonsten wollen die Grünen im Mierendorff-Kiez Milieuschutz einführen und das Projekt Ökokiez am Klausenerplatz weiter stärken.

FDP: Mit Johannes Heyne und Felix Recke an der Spitze wollen die Freien Demokraten die Rückkehr ins Rathaus schaffen. Und legt man das starke Abschneiden bei der Europawahl 2014 zugrunde, sollte dies gelingen. Für Charlottenburg-Wilmersdorf möchte man laut Programm „die beste Bildung der Welt“. Darum will die FDP eine Mittagsverpflegung für alle. „Dabei darf das Einkommen des Elternhauses keine Rolle spielen.“ Eine Benachteiligung des motorisierten Verkehrs soll es nicht geben. Und so fordert man mehr Parkplätze sowie die Offenhaltung des Flughafens Tegel als Thema für den Charlottenburger Norden. Trödelmärkte und Spaßveranstaltungen will die FDP unter Schutz stellen: „Straßenfeste und Musikdarbietungen im Freien gehören zur städtischen Lebensqualität und dürfen nicht durch formale Maßnahmen oder Regelungswut verboten werden.“

Aktive Bürger: Diese Wählergemeinschaft formierte sich in diesem Jahr nach Querelen um Bauprojekte wie das neue Wohnquartier im Gelände der Kleingartenkolonie Oeynhausen. Aber mit ihren Spitzenkandidaten Christine Wußmann-Nergiz und Siegfried Schlosser will man sich noch breiter aufstellen. So gilt es generell, Wählern eine Alternative zu bieten, die ihre Interessen von den jetzigen Entscheidungsträgern zu wenig beachtet sehen. „Bezirkspolitik ist viel mehr als einerseits Bürgeramtsterminchaos und Mangelverwaltung für uns Bürger und Bedienung der Interessen von Investoren“, heißt es. „Wir alle brauchen wieder eine soziale und demokratische Bezirkspolitik und eine umfangreiche Bürgerbeteiligung.“

Linke: Niklas Schenker und Frederike Brunner führen die Linke in eine Wahl, in der es um die „Revolution der sozialen Gerechtigkeit“ gehen soll. Dafür brauche es zum Beispiel „massiven Neubau bezahlbaren Wohnraums“, kostenlose außerschulische Angebote für Kinder und mehr Bürgerbeteiligung, insbesondere für Senioren und Junge.

Piraten: Die Freibeuter müssen zeigen, ob sie aus den unruhigen Fahrwassern herauskommen und den Abgang von Siegfried Schlosser verkraften. Dafür kam die Ex-Linke Marlene Cieschinger hinzu. Man setzt auf Bürgerbeteiligung als Schlüsselthema. „Wir sind davon überzeugt, dass die Revitalisierung von Demokratie notwendig ist, dass dazu das Ausloten von Handlungsspielräumen ebenso gehört wie die digitale Kompetenz. Hierzu bedarf es größerer Transparenz.“

AfD: Die Alternative für Deutschland um Markus Bolsch nennt in ihrem Programm konkrete Ziele: So will man im Preußenpark Ordnungsbehörden entschiedener gegen illegalen Verkauf von Speisen vorgehen lassen. Wegen der Nähe von „Massennotunterkünften“ sollen im Volkspark Wilmersdorf Streifen patrouillieren. Das Vorhaben der Bürgerinitiative Bundesplatz, den örtlichen Autotunnel zu schließen, lehnt man ab. Zudem will die AfD Graffiti-Delikte schärfer verfolgen. Um Kosten zu senken, verlangt man den Stopp aller Dienstreisen des Bezirksamts, zum Beispiel in Partnerstädte. Und den Berliner Trümmerfrauen würde man gerne ein Denkmal setzen. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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