Turnhallen in Wilmersdorf bleiben Wohnstätten

Kleine Ablenkung vom Alltag in der Halle: Ein Flüchtlingsmädchen hantiert zum ersten Mal im Leben mit einer Kamera. | Foto: Thomas Schubert
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Charlottenburg-Wilmersdorf. Unerfülltes Versprechen: Der Senat kann Flüchtlingen in Wilmersdorfer Turnhallen 2016 doch keine neue Bleibe mehr bieten. Dabei steht die passende Unterkunft seit Monaten leer.
Ein Lichtlein brennt – und geht so bald nicht aus. Diese Erkenntnisse ereilt in der Adventszeit diejenigen, die den Alltag von rund 300 Flüchtlingen in den Turnhallen an der Prinzregenten- und der Forckenbeckstraße vor Augen haben. Diese beiden Sportstätten bleiben auch für den Rest des Jahres ein Wohnort ohne Privatsphäre. Sie bleiben Notunterkünfte, obwohl Sportvereine hier gerne ihrem Daseinszweck nachkommen möchten. Und obwohl in der Heerstraße 16, dem früheren Sitz des Bauunternehmens Holtzmann, ein geeignetes Gemeinschaftsquartier bereitsteht – seit August.
Wie die Berliner Woche Anfang November berichtet hat, sind die Probleme beim Umzug dorthin rein bürokratischer Natur. „Wir müssen mit dem Senat an Lösungen arbeiten, um diese Art der Unterbringung schnell zu beenden“, drängte Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) im Oktober zur Eile. Doch nach Aussagen des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) fochten derweil Träger, die bei der Vergabe für die Heimleitung in der Heerstraße unterlegen waren, die Entscheidung juristisch an. Bis der Konflikt gelöst ist, werden Silvesterraketen über den Hallendächern flackern. Ein Leerzug noch in diesem Jahr? Erst versprochen, jetzt ausgeschlossen.
Währenddessen erdulden die Flüchtlinge nicht nur Enge. Das Bezirksamt meldete auch noch den Ausfall der Heizung am Standort Forckenbeckstraße. Selbst Engelmanns mahnender Brief, gemeinsam verfasst mit Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD), hat den Umzug in die Heerstraße 16 offensichtlich nicht beschleunigt.
Unterdessen ist eine zweite Gemeinschaftsunterkunft in Westend – das im Sommer angekündigte Containerdorf auf dem Gelände des Familienbads am Olympiastadion – aus den Plänen des Senats völlig verschwunden. Zwischen 250 und 500 Flüchtlinge hätten hier Platz finden können, wenn die Behörden nicht Bedenken im Hinblick auf Artenschutz angemeldet hätten.

Zwischen Bürokratie und Artenschutz

Seltene Tiere und Pflanzen wie eine rosa Blume namens Sand-Grasnelke konnte der Bezirk nicht vom Areal des Familienbads in Westend entfernen, weil es im Herbst wegen Streits mit Landesbehörden keine Zutrittsberechtigung für das Gelände gab. Schließlich fiel der Standort aus der Liste des Senats komplett heraus. Zum Heim in der Heerstraße hatte man nach dem Nein für diese Containersiedlung keine Alternative mehr. Und dort wiederum bleibt der Einzug verwehrt. Die Lichter in der Turnhalle – sie brennen weiter.

„Seit September sagen wir, dass in diesem Jahr kaum noch etwas freigezogen würde. Leider ist das dann auch so eingetreten“, kommentiert das Flüchtlingsnetzwerk „Berlin hilft“ diese Situation. „Wir bleiben deshalb auch dabei: Eine Belegung ab Februar 2017 ist Glück, irgendwas im März oder April wohl leider realistisch.“

Was das für Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer bedeutet, beschreibt das Netzwerk so: „Inzwischen leben Menschen bereits ein Jahr in Turnhallen ohne ausreichende Privatsphäre, gute Hygienebedingungen, vernünftiges Essen und ohne Kinder-, Frauen- oder auch nur gesundheitsgerechter Unterbringung. So ist kein vernünftiges Leben in normalen Abläufen möglich.“

Damit bleiben die beiden Wilmersdorfer Turnhallen ein Zuhause wider Willen – obwohl eine Schließung dieser Unterkünfte im Frühjahr als gesichert galt. Es sind nur zwei von 38 verbliebenen Hallenunterkünften in Berlin, die alle das gleiche Schicksal ereilt. Erst im neuen Jahr werden die Flüchtlingsbehörden im Land Berlin den nächsten Anlauf unternehmen, ein Versprechen einzulösen, das 2016 nicht zu halten war. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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