Im Hygienecenter der Stadtmission finden Obdachlose Duschen und Toiletten

Frisch geduscht: Andreas fühlt sich nach einem Besuch im Hygienecenter wie neu geboren. | Foto: Thomas Schubert
5Bilder
  • Frisch geduscht: Andreas fühlt sich nach einem Besuch im Hygienecenter wie neu geboren.
  • Foto: Thomas Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg. Von den Haarspitzen bis zu den Zehennägeln wohl gepflegt: Das Hygienecenter am Zoo erwartet dieser Tagen den 1000 00. Besucher. Wer der Bahnhofsmission helfen will, spendet ein ganz banales Gut, von dem man hier kaum genug bekommt: saubere Unterhosen.

Die Haare sind noch feucht, seine Brillengläser leicht beschlagen. Alfonso wirft das Handtuch in die Schmutzwäsche, dankt dem Personal mit schüchternem Nicken. Und dann steht er wieder auf der Straße – aber wenigstens frisch geduscht. Macht das einen Unterschied? Alfonso, ein Herr mittleren Alters, obdachlos, höflich und wortgewandt, hat gerade seine erste Dusche in Berlins erstem öffentlichen Badezimmer hinter sich. „Die Qualität ist ausgezeichnet und die Leute haben mich richtig nett behandelt“, beschreibt er, was ihm im Hygienecenter der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten gerade widerfuhr. Bislang musste eine „partielle Reinigung“ des Körpers genügen. Jene leistete sich Alfonso an Orten, die allenfalls zum Händewaschen taugen: In den Toiletten von Fastfoodrestaurants, Hotels und Bibliotheken. „Aber eigentlich“, sagt Alfonso mit leiser Stimme , „eigentlich möchte ich ja niemanden stören.“

Körpergeruch als etwas Unerwünschtes und Körperpflege als etwas Verschämtes und Verstörendes. Das ist der Widerspruch, dem sich Berliner Obdachlose, schätzungsweise 7000 an der Zahl, täglich stellen müssen. Also gab ihnen die Berliner Stadtmission im Dezember 2015 einen Ort, an dem die Würde wiederkehrt mit jedem Toilettengang und mit jeder kostenlosen Dusche. 300 000 Euro zahlte damals die Deutsche Bahn zur Herrichtung des Ortes. Nur im Vatikan existiert ein vergleichbares Hygienecenter wie das am Bahnhof Zoo. Heute lenkt dort Stadtmission-Mitarbeiterin Anna-Sofie Gerth die Geschicke.

Sie kann aus ihrer Statistik herauslesen, dass bald der 1000 00. Gast auf der Badematte steht. „Unser erster Besucher konnte es gar nicht wahrhaben“, erinnert sie sich. „Er konnte nicht glauben, dass man so einen qualitätvollen, sauberen Ort einfach kostenlos nutzen darf.“ Damit es sauber bleibt, wird der Nassbereich nach jeder einzelner Dusche professionell gereinigt und desinfiziert.

Hygiene für Obdachlose bedeutet Aufwand, kostet Zeit, Geld und Nerven. Täglich von 10 bis 18 Uhr leistet sich die Stadtmission ihren Service. Jede zusätzliche Stunde würde aufs Jahr gerechnet rund 200 00 Euro kosten, rechnet Gerth vor. Einen Sponsor für die Bonusstunde suchte man bisher vergeblich.

Maximal 30 Minuten dauert das Glück, sich den Straßenschmutz vom Leib zu waschen. Im Winter bringt heißes Wasser Erholung vom ewigen Frieren, im Sommer schützt das kühle Nass vor dem Kreislaufkollaps.

Und hinterher, da gibt es für jeden Duschgast saubere Wäsche. Für Obdachlose ein Segen. Für die Bahnhofsmission ein kleines Problem. Denn die Vorräte an Slips können die Nachfrage kaum decken. „Gefragt sind saubere Herrenschlüpfer in allen Größen“, bittet Gerth um Spenden. Auch Hygieneartikel, Deos oder gar Parfums sind gefragte Spendengüter. „Wenn jemand sein Eau de Toilette nicht mehr mag, kann er es uns gerne geben“, so die Hausherrin.

Im Hygienecenter arbeiten ehrenamtliche Helfer und Profis daran, dass Obdachlose Klischees vom stinkenden „Penner“ Lügen strafen können. Ob man sich nur abduscht oder sich zum kostenlosen Haareschneiden in den „Salon Franziska“ setzt, entscheidet die Tageslaune. Selbst die Fußpflege steht mindestens einmal im Monat auf dem Programm – dem Sponsoring der Freimaurerloge sei Dank. Die untersten Körperteile sind bei den Gästen oft am heftigsten geschunden und haben heilsame Eingriffe besonders nötig.

Auch Bürger ohne Blessuren und grobe Nöte dürfen das Hygienecenter übrigens bedenkenlos betreten. Die Toiletten des Hauses, betont Gerth, sind stets geputzt. Und für jeden nutzbar, den ein kleines oder großes Bedürfnis plagt. Wenn sich Obdachlose und -habende dann auf dem gefliesten Gang des Hygienecenters begegnen, wäre das noch eine Steigerung dieser sauberen Idee. tsc

Unterwäsche und Hygieneartikel nimmt die Bahnhofmission am Zoologischen Garten in der Jebensstraße 5 jederzeit entgegen. Das Hygienecenter steht für Toilettenbesuche jedem offen, täglich von 10 bis 18 Uhr.
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Mit zunehmendem Alter stellen sich oft auch Fragen zur Sicherheit von Narkosen. Wir beantworten Ihre Fragen gern. | Foto: Volkmar Otto

Sicherheit während der OP
Wie sicher sind Narkosen im Alter?

Im Laufe unseres Lebens steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine Operation benötigen. Doch mit zunehmendem Alter stellen sich oft auch Fragen zur Sicherheit von Narkosen. Zum Beispiel können Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schwere Lungenkrankheiten oder Demenz die Narkoseverträglichkeit beeinflussen. Wir laden Sie herzlich ein, Ihre Fragen und Bedenken mit uns zu teilen. Unser Ziel ist es, Ihnen die Angst vor der Narkose zu nehmen und Ihnen ein Verständnis dafür zu vermitteln, wie wir Ihre...

  • Reinickendorf
  • 13.03.24
  • 502× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Seinen Füßen sollte man sehr viel Aufmerksamket schenken.

Infos für Patienten
Thema: „Rund um den ganzen Fuß"

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Doch wenn Probleme auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen einen tiefen Einblick in die Anatomie des Fußes und beschäftigen sich gezielt mit Problemen wie Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen für diese häufig auftretenden Probleme....

  • Pankow
  • 06.03.24
  • 808× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter Hüftschmerzen, die Ihr Leben beeinträchtigen? Dann lassen Sie sich nicht länger quälen!  | Foto: Adobe

Quälen Sie sich nicht länger
Infoabend zum künstlichen Hüftgelenk

Leiden Sie unter Hüftschmerzen, die Ihr Leben beeinträchtigen? Dann lassen Sie sich nicht länger quälen! Wir laden Sie zu unserem Infoabend ein, bei dem Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen entdecken können, ohne sich vor dem Eingriff fürchten zu müssen. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, wird Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen führen. Erfahren Sie, wie die schonende...

  • Reinickendorf
  • 24.02.24
  • 1.218× gelesen
  • 1
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter Hüftschmerzen, die Ihr Leben beeinträchtigen? Dann lassen Sie sich nicht länger quälen!  | Foto: Adobe

Quälen Sie sich nicht länger
Infoabend zum künstlichen Hüftgelenk

Leiden Sie unter Hüftschmerzen, die Ihr Leben beeinträchtigen? Dann lassen Sie sich nicht länger quälen! Wir laden Sie zu unserem Infoabend ein, bei dem Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen entdecken können, ohne sich vor dem Eingriff fürchten zu müssen. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, wird Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen führen. Erfahren Sie, wie die schonende...

  • Reinickendorf
  • 24.02.24
  • 1.218× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.