Lebensmittelretter bewahren Essbares vor der Tonne

Retten, was noch schmeckt: Gina, Sarah und Gabriele sind davon überzeugt, dass diese Waren in die Küche gehören, und nicht in den Müll. | Foto: Schubert
  • Retten, was noch schmeckt: Gina, Sarah und Gabriele sind davon überzeugt, dass diese Waren in die Küche gehören, und nicht in den Müll.
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Charlottenburg. Serie "Unser Kiez", Teil 4. Operation Verfallsdatum: Eine Gruppe Lebensmittelretter um Sarah-Rena Hine gibt möglichst nichts Nahrhaftes dem Mülleimer preis. Was Supermärkte wegwerfen würden, findet im Klausenerplatz-Kiez noch etliche zufriedene Esser.

"Die Zwiebeln! Wo kommen die Zwiebeln hin?" Eine Frau bahnt sich ihren Weg zwischen den gebeugten Rücken. Dann findet sie die richtige Ecke, wuchtet den Kasten neben den mit Tomaten. Dies ist nicht die Gemüseabteilung eines Biomarkts, obwohl die meisten Produkte von dort stammen. Und die Damen und Herren mit gebeugten Rücken sind keine Angestellten, sondern freiwillig hier, legen hektisch hantierend Kartoffeln, Möhren, Paprika zur Abholung aus. Blaubeeren, Gurken und angeknautschte Brötchen. Nichts, was es nicht gibt.

Es ist ein Sonnabendvormittag, wie er einmal im Monat vorkommt. Großverteilung in den Räumen des Vereins Lebensgrund in der Christstraße 32a. Die Lebensmittelretter in Aktion. Es riecht wie auf einem Basar, und auch das Gewusel zwischen prall gefüllten Pappkartons und geblähten Tüten erinnert an das Treiben auf einem Wochenmarkt. Mit dem Unterschied, dass alles, was hier ausliegt, nichts mehr kostet, vom Handel freigeben ist zur sofortigen Verwertung. Genau hier setzt das ökologische Ehrenamt an.

Lebensmittelretterin Sarah-Rena Hine und ihre Mitstreiter wissen, welche Supermärkte ihre unverkäuflichen Waren hergeben, organisieren die Abholung in Eigenregie. Sie empfangen Waren, entwertet vom erreichten Verfallsdatum, aber in Wirklichkeit noch essbar - und durchaus mit Genuss.

Auf dem Tisch steht das zweite Frühstück. Gerettete Pflaumen, gerettetes Mehl - ergibt frischen Kuchen. "Die meisten Leute haben keine Achtung mehr vor Lebensmitteln", klagt die Bäckerin. Nur wenige Minuten dauert es, dann ist der Proviant verputzt.

Seit über 20 Jahren in diesem Metier, leitet hier Sarah-Rena Hine die Geschicke, neuerdings als Botschafterin der Lebensmittelretter in Charlottenburg-West. "Ich fand es immer schon schlimm, dass so viel Essbares weggeworfen wird", sagt Sarah-Rena Hine. "Aber die Mengen konnte ich alleine gar nicht weitergeben." Mit rund 30 Helfern gelingt das Foodsharing nun im großen Stil. "Die Leute, die unsere Sachen abholen, haben ein Strahlen im Gesicht. Und was gibt es Schöneres, als Leute glücklich zu machen?"

Zu den Empfängern zählen Mitglieder des Vereins, aber auch Obdachlosen-Einrichtungen wie der Seeling-Treff, eine große Fuhre geht regelmäßig ins örtliche Flüchtlingsheim der AWO. Der Lebensgrund e.V. und die Organisation Lebensmittelretter - ein kleines Bollwerk für soziale Einrichtungen, die bei anderen Hilfskampagnen leicht übersehen werden.

Foodsharing, das ist ein Lebensgefühl. Ein Gegenmodell zur Wegwerfgesellschaft. Es bereitet denen, die das Essbare verteilen, ein gutes Gefühl. Jenen Lebensgrund-Mitgliedern, die es kostenlos abnehmen, spart es wertvolle Euro. Drei junge Mädchen befüllen einen Karton, schleppen eine Familienration für das Wochenende von dannen. Als nächster: ein Rentner mit schwachem Lächeln. "Nehmen Sie sich eine große Kiste", heißt es an der Tür. Einige Stunden geht das so, dann sind die Bestände für diesen Sonnabend erschöpft. Und wenn doch noch ein paar Rüben übrig bleiben: Nebenan im Gehege des Ziegenhofs findet sich sicher jemand, der die letzten Reste verputzt.

Wer sich als Lebensmittelretter engagieren will, meldet sich im Internet an unter www.lebensmittelretten.de.

Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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