Speed-Dating im Jobcenter für Arbeitslose

Angela von Bierbrauer zu Brennstein erklärt Arbeitsvermittlerin Desiree Brinitzer (l.), welche neuen Aufgaben sie im Callcenter übernimmt. | Foto: tsc
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Charlottenburg. Stellenbesetzung im Schnelldurchgang: Über 20 Kandidaten sagten dem Jobcenter ade und brachten es zur Festanstellung in einem Callcenter. Immerhin hatten beide Einrichtungen das gleiche Anliegen - und sitzen noch dazu im selben Haus.

Eine Etage aufsteigen oder in der Grundsicherung bleiben, das ist eine Frage weniger Augenblicke. Sind sie freiwillig hier? Was haben Sie früher gemacht? Welche Computerkenntnisse haben Sie? Frank Neumann macht kein langes Federlesen, stellt unmissverständliche Fragen, weiß, was er von den Antworten zu halten hat. Neumann ist Standortleiter der Quality Communications GmbH, einem Callcenter-Betreiber, der für Telecolumbus Dienst leistet. Und Speed-Dating ist für Neumann nicht einfach ein Name. Es heißt Verpartnerung im Minutentakt - oder Korbgeben im Handumdrehen.

Eine Etage aufsteigen heißt: raus aus Sozialbezügen, rein in den festen Job. Als letzte Hürde gilt ein sechswöchiges Praktikum. Wer hier aufmerksam lernt und sich keine groben Patzer leistet, kommt an Bord, verdient schließlich 1400 Euro brutto plus Provision.

Freiwilligkeit war in der Tat oberstes Gebot, sagt Desiree Brinitzer vom Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf, das im gleichen Hause am Goslarer Ufer Büros bezog wie Quality Communications. "Wir wollten unseren Bewerbern keine Sanktionen androhen", betont sie. 80 Kandidaten erhielten Einladungen, rund 20 bekamen den Job. Die Dating-Voraussetzungen: Motivation, Computerkenntnisse, halbwegs akzentfreies Deutsch.

Günül, die in Wirklichkeit anders heißt, weilte eben noch unten im Wartebereich, hat ganz spontan erfahren, was ihr heute winkt. Und da sitzt sie nun beim Date, hört Neumanns unverblümte Fragen. Was sie bisher gemacht habe? Kinder bekommen, heißt es. Und mit dem Ehemann einen Pizzaservice betrieben. Ob sie mit Computern umgehen könne? "Ich schaue mir im Internet Serien an", erwidert Günpül Andere Aktivitäten am PC bereiten ihr offenbar Mühe. Den Daumen senken will Neumann zwar nicht sofort. Aber er hat andere Vorstellungen.

Kein Zweifel bestand am Talent einer Dame, die im Auftrag des Kabelanbieters Telecolumbus bereits das Headset trägt. Angela von Bierbrauer zu Brennstein klickt sich mühelos durch die Menüs. Zwei Monitore neigen sich ihr entgegen. Bis zu 40 Anrufer pro Tag stellen Fragen zu Rechnungen oder technischen Problemen, sind von der Neuen in der Leitung ganz angetan. Wann hat man sonst so hilfsbereiten Adel am Apparat?

Die alleinerziehende Mutter ist eine Frohnatur, kann selbst grummelige Anrufer schnell befrieden, setzt dabei auf Intuition. "Ich weiß auch nicht, wie ich das mache. Jedenfalls bin ich ziemlich direkt und schmiere den Leuten nicht Honig ums Maul." Soziale Kompetenz stand zwar nicht im Kriterienkatalog des Datings, dürfte aber in Angelas Fall der Schlüssel zum Einstieg gewesen sein.

Als Gegenleistung für ihr Feingefühl am Headset hat der Chef der 32-Jährigen etwas Wichtiges zugestanden: Private Telefonate mit der kleinen Tochter sind erlaubt. Im Telefongewerbe kann dies für eine alleinerziehende Mutter über Gedeih und Verderb entscheiden. "Bei einem Callcenter, wo ich vorher war, wurde es verboten", sagt sie. Unter Frank Neumann aber liegt die Sache anders. Da darf zwischendurch mal das eigene Handy klingeln. Wer Motivation einfordert, der muss sie auch stiften.

Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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