Außenminister Steinmeier zu Besuch in der Bahnhofsmission

Blaue Weste statt Schlips: Dieter Puhl gibt Steinmeier das Erkennungszeichen eines jeden Helfers in seinem Hause. | Foto: Thomas Schubert
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Charlottenburg. Einsatz für Obdachlose – den gibt es im Vatikan ebenso wie in der Bahnhofsmission am Zoo. Jetzt trat deren Leiter Dieter Puhl mit einer besonderen Idee an Außenminister Frank-Walter Steinmeier heran.

Endlich Haareschneiden, endlich gewaschene Füße, endlich richtig satt. Es gibt in Berlin viele Arten von Bedürfnissen. Und die Bahnhofsmission am Zoo ist ein Ort, an dem man sie erfüllt. Frank-Walter Steinmeier ist hier kein Unbekannter, stand er doch schon am Ausgabetresen, fuhr er doch schon im Kältebus mit. Und so erfuhr er auch von der praktischen Seite, was er theoretisch genauestens kennt – seine Doktorarbeit handelt immerhin von der Rechtslage bei obdachlosen Menschen.

Jetzt steht Bundesaußenminister Steinmeier im Hygienecenter der Bahnhofsmission. Die rechte Hand stützt den Kopf. Die strenge Brille erfasst den Gastgeber, einen Mann in blauer Weste. Steinmeier hört zu. Missionsleiter Dieter Puhl spricht. „Vielleicht mache ich mich furchtbar lächerlich. Aber wenn der Papst nach Berlin kommt, würde ich mir wünschen, dass er in der Jebensstraße eine Messe für 3000 obdachlose Menschen hält.“ Mehrere Sekunden Stille. Steinmeier mustert Puhl mit Diplomatenmine. „Der Papst wird eine Messe halten, wenn er kommt“, heißt die Antwort. „Aber wann, wo und wie, wissen wir nicht.“

„Die Leute hier sind dankbar“

Sehr wohl weiß der Außenminister, dass der Andrang in der Jebensstraße vor der Bahnhofsmission mit jedem Jahr größer wird. „Ihre Arbeit ist anspruchsvoller geworden“, kommentiert Steinmeier das Anwachsen der Wohnungslosenzahl von 2000 auf 6000. Bis zu 700 kommen täglich auf ein warmes Essen zu Puhl und seinen Helfern. Deutsche, Polen, Türken und Russen sind unter den Gästen, Dutzende Nationalitäten. Deshalb nennt Steinmeier die Bahnhofsmission mit ihren Hilfsangebote „ein wahrhaft europäisches Projekt“.

Ein Projekt, das von Spenden und ehrenamtlichem Einsatz lebt. Und von staatlichem Geld, das nur befristet bewilligt wird. Puhl zuckt die Achseln und sagt: „Wir haben Dispo beim lieben Gott.“ Und eigentlich ist auch nicht der Mann mit Schiebermütze der Leiter. „Jesus ist der Chef“, sagt der diakonische Leiter der Stadtmission, Jörg Friedl. Wichtiger ist den Verantwortlichen aber, von den Helfern zu sprechen und ihnen Redezeit zu schenken. So schließt Steinmeier Bekanntschaft mit Praktikantin Alessia, einer Schülerin, die zuletzt drei Mal pro Woche Brote für die Ärmsten schmierte. „Manche fragen mich, warum ich nicht lieber etwas mache, womit man Geld verdient“, erzählt sie dem Minister. „Die Leute hier sind dankbar“, ist der Satz, den sie als Antwort gibt.

Von Dankbarkeit allein lässt sich die Hilfseinrichtung natürlich nicht betreiben. Gerne würde die Mission ihre Öffnungszeiten im Hygienecenter über die Kernzeit von 10 bis 18 Uhr erweitern, damit noch mehr Obdachlose duschen können. Doch das kostet. Und Steinmeier lässt zumindest ein Versprechen da: „Ich werde helfen, das Geld zu suchen, damit Sie Ihre Hilfsangebote erweitern können.“ Kurz darauf trägt auch er eine blaue Weste. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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