Dahlem. Eine große Collage mit Menschengruppen und Gebäuden ist das erste, was Besucher derzeit im Alliierten-Museum sehen. Gehen sie an der Wand vorbei haben einige der abgebildeten Personen plötzlich das Hakenkreuz auf ihrer Kleidung, von Balkonen wehen Hakenkreuzflaggen und eine Frau im Vordergrund hebt die Hand zum Hitlergruß.
70 Jahre nach Kriegsende, dem Beginn der Besatzung und der Entnazifizierung steht im Mittelpunkt der neuen Ausstellung des Museums mit dem Titel „Who was a Nazi? Entnazifizierung in Deutschland nach 1945“ der sogenannte "kleine Mann". „Wir sind die bisher einzigen mit diesem Ansatz“, erklärt Museumsdirektorin Dr. Gundula Bavendamm.
Im ersten Teil erfährt der Besucher, welches Deutschlandbild die Siegermächte als „mentales Gepäck“ dabei hatten. Sie sahen die Deutschen als kriegsliebendes Volk, dem nicht zu trauen sei. „Man sollte sich nicht mit ihnen einlassen, nicht mit ihnen sprechen“, erläutert Kurator Bernd von Kostka. Bereits 1944 hatte der US-Major Aldo Raffa für die Militärregierung in Italien einen Fragebogen entwickelt, um Faschisten zu identifizieren. Er war Vorbild für den Fragebogen im besetzten Deutschland. Es gab Internierungen und die „Umerziehung“ durch Schock: Teile der Bevölkerung mussten Opfer des NS-Regime aus Massengräbern umbetten und auf Friedhöfen beerdigen.
Eine umfangreiche Maßnahme der Entnazifizierung war die Vernichtung und Beseitigung der nationalsozialistischen Symbole aus dem Alltag. Dabei ging es aber auch um die Not nach dem Krieg, Alltagsgüter waren knapp. So konnte aus einem Stahlhelm ein Sieb werden, aus einer Geschosshülle eine Kanne, aus einer Hakenkreuzfahne ein Trägerrock.
Das juristische Verfahren der Entnazifizierung steht im Mittelpunkt des zweiten Themenraums. Zwölf Schicksale werden aufgezeigt, darunter jenes der Schauspielerin Grete Weiser, aber auch von Bäckern oder Lehrern. Sie zeigen stellvertretend, wie umfassend das Procedere und die Schwierigkeiten der politischen Säuberung waren. Dafür steht eine „Wolke“ aus aufgehängten Verordnungen und Erlässen. Auch „Persilscheine“, eidesstattliche Unschuldserklärungen, sind zu sehen, mit denen sich Betroffene den Verfahren entziehen wollten.
Im dritten und letzten Teil der Schau geht es um das Ende der Entnazifizierung, die im März 1948 von der sowjetischen Militärverwaltung verkündet wurde und die Frage, ob sie gelungen oder gescheitert ist. „Die Alliierten betrachteten die Entnazifizierung nicht als gescheitert, da es schnell möglich war, die Demokratie zu installieren“, sagt Gundula Bavendamm.“ Am Ende des Rundgangs hat der Besucher Gelegenheit, seine Meinung zu dieser Frage auf ein Stück Papier zu schreiben und an der Wand aufzuhängen. uma
„Who was a Nazi? Entnazifizierung in Deutschland nach 1945“.Geöffnet ist die Ausstellung im Alliierten-Museum, Clayallee 135, bis 29. Mai 2016, täglich außer montags von 10 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei. www.alliiertenmuseum.de.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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