Wenn Geschwister zu kurz kommen: Neues Projekt der „Traglinge“ unterstützt Familien

Familie Shrein hat sieben Kinder. Maxim, Olga und Alina kommen gern zu den „Traglingen“. | Foto: Ulrike Kiefert
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Falkenhagener Feld. Der Verein „Traglinge“ hat ein Geschwisterprojekt gestartet. Finanziert wird es vom Bezirksamt.

Sahraa ist die Älteste und das einzige Mädchen im Haus. Sie hat drei Brüder, was eigentlich cool ist. Doch die 13-Jährige fühlt sich eher überfordert. Und das hat einen Grund. Ihr jüngster Bruder kam als Frühchen zur Welt. Der andere, fünf Jahre alt, ist Autist. Um ihre Eltern zu entlasten, hilft Sahraa mit, wo sie kann. Sie wäscht ab, räumt auf, füttert das Baby und übernimmt auch sonst Aufgaben, die andere Mädchen in ihrem Alter so nicht kennen. Fragt man sie nach ihren Wünschen, zögert Sahraa nicht lange. „Ich hätte gern mehr Freiheiten und ein eigenes Zimmer“, sagt sie. „Und ich will morgens ausschlafen können.“

So klar ihre Wünsche zu äußern, konnte Sahraa früher nicht. Das hat sie erst im Geschwisterprojekt des Vereins Traglinge gelernt. Der Verein mit Sitz im Hebammenhaus des Evangelischen Waldkrankenhauses an der Stadtrandstraße 555 kümmert sich seit 2009 um die Nachsorge für Frühgeborene und schwerstkranke Kinder. Neben Kinderkrankenschwestern gehören ein Kinderarzt, eine Psychologin, Sozialpädagogen und betroffene Eltern zum professionellen Traglinge-Team, das Familien hilft, sich zurechtzufinden, wenn von einem Tag auf den anderen nichts mehr so ist wie es war. Bisher hat das 15-köpfige Team 400 Spandauer Familien begleitet.

Doch nicht nur den Eltern will der Verein auf dem schwierigen Weg von der Klinik in den häuslichen Alltag zur Seite stehen. „Oft sind Geschwisterkinder in der Familie, die vielleicht zu kurz kommen, weil sich die Eltern aufs neugeborene Kind konzentrieren und eine Menge wichtiger Entscheidungen treffen müssen“, sagt Bettina Stenzel, Projektleiterin und Familienkinderkrankenschwester in der Nachsorge. Hier wollen die „Traglinge“ mit verschiedenen regelmäßigen Angeboten unterstützen. Finanziert wird das neue „Geschwisterprojekt“ über das Bezirksamt. 10.000 Euro kommen dafür aus dem Budget von Sozial- und Gesundheitsstadtrat Frank Bewig (CDU) und zwar 2016 und 2017. „Auf Grund der großen Sorge um das kranke Kind stehen Geschwisterkinder nicht selten hinten an. Oft werden sie als vergessene Kinder bezeichnet“, sagt der Stadtrat. Um ihnen Gehör zu verschaffen, sie zu stärken und ihnen dabei zu helfen, ihren Platz in der Familie wiederzufinden, habe er sich entschieden, den Verein zu unterstützen.

Denn die hohe Belastung der Geschwisterkinder, die Eltern oft gar nicht so wahrnehmen, hat ihre Schattenseiten. „Die Kinder ziehen sich zurück oder werden verhaltensauffällig. Sie fühlen sich hilflos und mit ihren Sorgen allein“, beschreibt Katja Mahn, Geschäftsführerin des Vereins und selbst Mutter eines Frühchens, ein häufiges Problem. Darum erfahren die Geschwisterkinder im Projekt, ihre eigenen Gefühle zu erkennen, sie zuzulassen und auch zu äußern. Und sie erlernen spielerisch Strategien, um mit ihren Sorgen und Gefühlen besser umzugehen. „Dazu gehört auch, mal Nein zu sagen, und den Mut zu finden, mit den Eltern darüber zu reden“, sagt Bettina Stenzel. Im Hebammenhaus wurde dafür eigens ein multifunktionaler Raum hergerichtet mit Kletter- und Turnangeboten, einer Stresswaage, Bastelecken, diversen Spielen und Spielzeugen zum entdecken, fühlen und greifen. Das Projekt besteht aus vier Geschwistertagen mit acht bis zehn Geschwisterkindern im Alter von sieben bis zwölf Jahren. Ein Mal im Jahr verbringen alle drei Tage gemeinsame Freizeit zusammen. Langfristiges Ziel ist es, eine Regelfinanzierung für das Projekt zu finden. Damit Sahraa und all die anderen Geschwisterkinder mit ihren Sorgen nicht allein bleiben müssen.

Gründungsmitglieder der „Traglinge“ sind Katja Mahn, Christina Hartmann und Dr. Frank Jochum, Chefarzt für Kinder- und Jugendmedizin im Waldkrankenhaus. Das Waldkrankenhaus ist spezialisiert auf Neonatologie. Dort werden 180 bis 200 Frühchen pro Jahr entbunden und medizinisch betreut. uk

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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