Die Fregestraße und ihre Bewohner

Das Haus mit Nummer 19 erlebte sehr unterschiedliche Bewohner. | Foto: KEN
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  • Das Haus mit Nummer 19 erlebte sehr unterschiedliche Bewohner.
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Wenn Steine sprechen könnten, viel hätten sie über die Fregestraße in Friedenau zu berichten.

„Erster Prediger von Schöneberg“ wurde er im Berliner Adressbuch 1932 genannt, Ferdinand Ludwig Frege, der am 29. April 1884 Namensgeber der Straße 27 an der Grenze zweier „Separationsäcker“ wurde. Die Straße sei schon Mitte der 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts dicht bebaut gewesen, ist im Kauperts zu lesen.

Ferdinand Ludwig Frege (1804-1883) besuchte das Gymnasium zum Grauen Kloster, studierte Theologie, war Erzieher der Prinzen Adalbert und Waldemar von Preußen, Schlossprediger in Schwedt und Küstrin, bevor er 1845 das geistliche Amt in Schöneberg antrat und in dem Dorf bei Berlin vielfach wirkte. Frege ist auf dem Friedhof der Gemeinde Alt-Schöneberg an der Hauptstraße begraben.

„Länge 835 Meter in Friedenau, 460 in Steglitz“, hat Ronald Hoppe für sein Buch „Straßen und Häuser in Friedenau“ gemessen. „Zu Friedenau gehören die Häuser Nummer 1-30, zu Schöneberg Nummer 57-81 und zu Steglitz Nummer 32-54“, halten die beiden Friedenau-Chronisten Peter Hahn und Jürgen Stich in ihrem Buch „Friedenau. Geschichte & Geschichten“ fest.

Hahn und Stich konzentrieren sich in ihrem Text auf das Haus Fregestraße 19. Der Schriftsteller Uwe Johnson, Friedenauer Quartiermeister für viele Literatenkollegen, fand des für Hans Magnus Enzensberger, seine Frau Dagrun und die gemeinsame Tochter Tanaquil. Die Familie zog im November 1966 ein. „Das Glück währte nicht lange“, erzählen Hahn und Stich.

Nach gut einem Monat kündigte Enzensbergers Frau die Trennung an. Sie zog in Johnsons Familienwohnung in der Stierstraße 3. Johnson war in New York. Enzensberger blieb in der Fregestraße 19. Er hielt sich aber im Geburtshaus des Publizisten und Journalisten Hans Paeschke (1911-1991) nur selten auf. Paeschke will von Enzensberger noch erfahren haben, dass früher einmal Rosa Luxemburg dort gewohnt hat.

Wie auch Hermann Göring, aber davon wussten die beiden wohl nichts. Als Dreijähriger war die spätere Nazi-Größe für zwei Jahre mit seiner Familie eingezogen. Das Haus gehörte Görings Patenonkel Hermann Epenstein, einem deutsch-österreichischen Arzt, Kaufmann und Burgherren. Jahrzehnte später wird Göring in die Fregestraße zurückkehren, auf Besuch bei Joseph Goebbels. Der NS-Propagandaminister wohnte in Haus Nummer 76, wo er seine Hassreden niederschrieb.

In der Nachbarschaft, aber nicht zu derselben Zeit, im Haus mit der Nummer 80, lebte von 1918 bis 1930 der spätere erste Bundespräsident, Theodor Heuss, mit seiner Frau Elly Heuss-Knapp. Heuss, Journalist, Politikwissenschaftler und aktiver Liberaler, wurde 1919 Stadtverordneter von Schöneberg. 1924 bis 1928 und von 1930 bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten war er Reichstagsabgeordneter.

Es gäbe noch viele Bewohner der Fregestraße zu nennen, die Spuren in der Geschichte hinterlassen haben. Stellvertretend erwähnt sei Dora Lux, die in Nummer 81 lebte und 1909 erste Gymnasiallehrerin in Preußen geworden war. Seit 1922 unterrichtete sie im Lette-Verein. Als Jüdin wurde sie 1933 gezwungen, den Schuldienst zu verlassen. Sie blieb bis zum Tode ihres Mannes 1944 in Berlin und überlebte den Krieg am Bodensee. Seit 1964 erinnert eine bronzene Gedenktafel an den ehemaligen Wohnort von Theodor Heuss in der Fregestraße 80.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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