Warum es die Friedenspagode im Volkspark eigentlich gar nicht gibt

10. September 2016
10:00 Uhr
Weltfriedensglocke im Volkspark Friedrichshain, 10249 Berlin
Bernd Mewes an der Friedensglocke. | Foto: Thomas Frey
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  • Bernd Mewes an der Friedensglocke.
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Friedrichshain. Unter den zahlreichen Mahnmalen im Volkspark Friedrichshain befindet sich auch die Friedensglocke. Sie erinnert an die ersten Atombombenabwürfe 1945 auf die Städte Hiroshima und Nagasaki und steht für Dialog und Abrüstung statt kriegerischer Auseinandersetzung.

Zumindest bei Menschen, die sich mit diesen Themen beschäftigen, ist die Glocke ein Begriff. Zur diesjährigen Gedenkfeier am 6. August, dem Datum der Hiroshima-Katastrophe, seien mindestens 200 Besucher gekommen, sagt Bernd Mewes, der Vorsitzende der Friedensglockengesellschaft Berlin. Sein Verein lädt mit anderen Organisationen zu den jährlichen Erinnerungsveranstaltungen und kümmert sich auch um öffentliche Aufmerksamkeit und den Erhalt des Denkmals.

Letzteres ist allerdings nicht so einfach. Denn zumindest offiziell ist das Bauwerk samt Glocke gar nicht vorhanden.

Skurrile Geschichte

Eine skurrile Geschichte, die mit der Entstehung zusammenhängt. Eingeweiht wurde das Friedenszeichen nämlich am 1. September 1989, dem 50. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs. Ein Jahr zuvor hatte die "World Peace Bell Association" an den damaligen DDR-Botschafter in Japan die Bitte herangetragen, eine Glocke in Berlin aufstellen zu dürfen. Mittlerweile gibt es 24 solcher klingenden Mahnmale weltweit, das bekannteste befindet sich am Sitz der Vereinten Nationen (UN) in New York. Die Idee stammte von dem Japaner Chiyoji Nakagawa, einem Überlebenden der Atombombenabwürfe.

Der SED-Staat stimmte der Einrichtung zu und der Magistrat von (Ost)Berlin beschloss, die einen Meter hohe und 365 Kilogramm schwere Glocke im Volkspark aufzustellen. Sie wurde aus den Münzen der damals 104 Mitgliedsstaaten der UN gegossen. Umrahmt wurde sie von der Pagode mit Kupferdach.

Nicht im Grundbuch

Dass das Ensemble zwar sichtbar ist, aber von Amts wegen gar nicht existiert, stellte sich 2012 heraus. Damals wurde das Kupferdach eine Beute von Metalldieben. Die Frage, wie mit dem Schaden umzugehen sei und wer für Ersatz sorgen könnte, brachte die Antwort: erst einmal niemand. Denn das Bauwerk sei in keinem Grundbuch verzeichnet.

Warum das so ist, lasse sich wohl nur aus der Situation des Spätsommers und Herbstes 1989 erklären, vermutet nicht nur Bernd Mewes. "Das waren die Wochen der Wende in der DDR." Damals sei es um andere Fragen gegangen. Und nach der Auflösung des Magistrats wurde das Versäumnis nicht mehr korrigiert. Bernd Mewes und seine Gesellschaft fordern, dass sich das ändert und haben dazu entsprechende Vorarbeiten geleistet. "Wir haben Kontakt zum damaligen Architekten hergestellt, der auch noch die Pläne hatte." Auch der Kunstschmied, der 1989 das Kupferdach und die Glockenaufhängung anfertigte, ließ sich auftreiben.

Das Ergebnis dieser Recherchen landeten beim Bezirk. Doch der tut sich anscheinend schwer, dem Anliegen der Friedensglockenfreunde zu folgen. Obwohl es sogar einen BVV-Beschluss gibt, der ebenfalls die Aufnahme in die Denkmalliste verlangt.

Die Verwaltung argumentiert unter anderem damit, dass die Glocke samt Pavillon bereits als Teil des Gartendenkmals Volkspark Friedrichshain ausreichend geschützt sei. Mewes sieht das völlig anders. Abgesehen davon, dass andere Denkmale dort diesen Status hätten, seien damit auch andere Fragen verbunden. Stehe die Erinnerungsstätte nicht in der Denkmalliste, sei es nahezu unmöglich, zum Beispiel Geld für die endlich stattfindende Wiederherstellung des Kupferdachs aufzutreiben. Das gelte sowohl für private Spender und erst recht für Fördertöpfe, die dann verschlossen bleiben.

Nicht gebührend gewürdigt?

Um solche Gönner werde sich seine Gesellschaft kümmern, wenn sie dafür die Voraussetzungen habe. Es gehe nicht darum, den Bezirk in Anspruch zu nehmen, versucht er mögliche Ängste in dieser Richtung zu zerstreuen. Eher andersherum werde ein Schuh daraus. Passiere jetzt etwas an der offiziell nicht vorhandenen Pagode, sei die Verwaltung in Regress. Und schließlich: Wolle man einem Gedenkort, der im offiziellen Verzeichnis der UN-Weltfriedensglocken steht und an dem jedes Jahr am 6. August auch der Bezirk der Atombombentoten gedenkt, die gebührende Bedeutung vorenthalten?

Dem Kampf für die Friedensglocke, das wird nicht nur bei dieser Auseinandersetzung deutlich, hat sich der 65-Jährige verschrieben. Dabei gehört er gar nicht zu den Aktivisten der ersten Stunde. Erst später sei er als Anwohner auf die Gedenkstätte aufmerksam geworden. 1999 entstand der Verein. Der hat sich das Bemühen um den Frieden in der Welt zum Ziel gesetzt, auch mit Treffen von Menschen aus unterschiedlichen Nationen oder Malaktionen zum Kindertag an der Glocke.

Seinen Verein und die Friedensglocke wird er mit anderen auch anlässlich des Tages des offenen Denkmals vorstellen. Am 10. September gibt es an der Pagode Führungen, die um 10, 14 und 15 Uhr beginnen. Der ersten schließt sich ein Spaziergang zum Denkmal der Spanienkämpfer an, die zweite geht zum Friedhof der Märzgefallenen. tf

Bernd Mewes an der Friedensglocke. | Foto: Thomas Frey
Ursprünglich hatte der Pavillon ein Dach aus Kupfer. Das Metall wurde 2012 gestohlen. Foto: Frey | Foto: Thomas Frey
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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