Auseinandersetzungen in Rigaer Straße

Pampflet am Haus Rigaer Straße 94. | Foto: Thomas Frey
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Friedrichshain. Die Meldungen kommen regelmäßig. Meist geht es um brennende Autos oder andere Gegenstände, die in oder in der Nähe der Rigaer Straße in Flammen stehen.

Rund um die dortigen linksautonomen Wohnprojekte gab es schon in den vergangenen Jahren immer wieder Ärger. Seit dem 13. Januar stehen sie aber besonders im Fokus. An diesem Tag wurde ein einzelner Streifenpolizist auf der Straße angegriffen, die Täter sollen danach in das Haus Rigaer 94 geflüchtet sein. Noch am gleichen Abend erfolgte ein Großeinsatz mit rund 500 Beamten. Er lief unter dem Begriff "Begehung", als Ergebnis wurden sichergestellte gefährliche Gegenstände wie Eisenstangen, Krähenfüße oder Steine vermeldet.

Danach folgten weitere polizeilichen Maßnahmen. Mal wegen wirklicher oder vermeintlicher Angriffe und Provokationen, mal, weil sich, wie Ende Februar, ein offensichtlich Rechtsradikaler in eines ihrer Lokale begeben und dort attackiert worden war. Der Laden war danach verbarrikadiert worden. Als den Polizisten nach einiger Zeit der Zugang gelang, wurden sie mit Flaschen und Gläsern beworfen und aus Feuerlöschern besprüht. 15 Beamte erlitten Verletzungen. Und als Begleiterscheinungen solcher Nächte werden danach häufig irgendwo Brände gelegt.

Die Auseinandersetzungen werden aber nicht nur vor Ort ausgetragen, sondern spielen sich auch auf der politischen Ebene ab. Die Kontrahenten sind hier eine Mehrheit im Bezirk auf der einen, sowie die Polizei und vor allem Innensenator Frank Henkel (CDU) auf der anderen Seite.

Gewalt sei natürlich abzulehnen, betonten Grüne, Linke und Piraten. Allerdings auch die in ihren Augen unverhältnismäßige Reaktion der Sicherheitskräfte, für die der Innensenator verantwortlich sei. Der wolle sich anscheinend vor den Wahlen als starker Mann positionieren, meint Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen). Dabei wäre eine stärkere Polizeipräsenz in anderen Gebieten des Bezirks weitaus nötiger, als in diesem Kiez. Er dulde keine rechtsfreien Räume, kontert Henkel. Und nicht nur die Bürgermeisterin verwechsle Ursache und Wirkung, sekundieren seine Parteifreunde aus dem Bezirk. Die Kritiker der robusten Polizeieinsätze verweisen nicht nur auf die aktuellen Einsätze, sondern ebenso auf den Status eines Gefahrengebiets, der bereits seit vergangenem Jahr für die Gegend gilt. Das bedeutet, dass die Beamten dort auch anlasslose Personenkontrollen durchführen können, was mittlerweile auch viele Anwohner nervt.

Nach einem Elternabend Anfang Februar seien Besucher und Mitarbeiter, die vor der Tür standen, von Beamten nicht nur zum Vorzeigen ihrer Ausweise aufgefordert, sondern auch penibel durchsucht worden, heißt es in einer Mitteilung des Kinderladens "Rock'n' Roll Zwerge" in der Rigaer Straße 14 . "Eine halbe Stunde wird in unsere Taschen geschaut, Personalien aufgenommen und überprüft, ob wir nicht vielleicht einen offenen Haftbefehl hätten." Auch ein "brachialisches Auftreten" sowie "rassistische und sexistische Äußerungen" werden beklagt. An den Nachbarn, etwa aus der Rigaer 94, haben die Rock'n' Roll-Zwerge weniger auszusetzen. Dort könnten sie sich sogar regelmäßig Stühle für das Neujahrsfest ausleihen.

Dass sich das Wirken zumindest einiger Mitglieder und Sympathisanten der Hausprojekte aber nicht nur auf solche Wohltaten beschränkt, dafür liefern sie auch selbst immer wieder Beweise. Zuletzt in einem Pamphlet, das von gewaltsamem Widerstand fabulierte. Frank Henkel wurde dabei angedroht, er könne "im Kofferraum" landen. Eine Anspielung auf den 1977 von der RAF ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Anlass für die kaum verklausulierte Morddrohung war das Gerücht, die Rigaer 94 könnte demnächst geräumt werden. Was vom Innensenator zurückgewiesen wurde.

Kontrolliertes Aufgebot

Jenseits solcher Gewaltphantasien bleibt der Schlagabtausch in Vorwahlzeiten. Wenn die Bürgermeisterin oder Grüne und Linke Überreaktionen bis hin zu Rechtsverstößen in der Rigaer Straße beklagen, kontert die CDU mit dem Vorwurf eines nicht mehr nachvollziehbaren Verständnisses für Gewalttäter. Wobei es manchmal nicht so einfach ist, diese Frontlinie durchzuhalten. Deutlich wurde das am Abend des 4. März. Da kontrollierte ein Großaufgebot von Uniformierten acht linke Szenelokale zwischen Rigaer Straße und RAW-Gelände. Dabei sei es um den Verdacht von gewerbe- und gaststättenrechtliche Verstöße, wie Hygienevorschriften oder Konzessionen für die Betreiber gegangen, hieß es danach. Der Einsatz gehe auf ein Ersuchen des Bezirks zurück. Eine Aussage, die, wie berichtet, zunächst einige Aufregung verursachte und den Verdacht nahelegte, der Bezirk habe selbst zu einer weiteren Eskalation beigetragen.

Das war zwar nicht beabsichtigt, vielmehr war die Polizei zu der Ansicht gelangt, bei der vom Bezirk angemeldeten Amtshilfe zur Lokalkontrolle seien weitere Beamten nötig, weil sich darunter auch die Rigaer Straße 94 befand. Dass dort nicht nur bei dieser Adresse derzeit besonders sensibel reagiert wird, hätte allerdings auch im Bezirk auffallen können. Um ähnliches in Zukunft zu vermeiden, wurde in der BVV eine bessere Abstimmung mit der Polizei verlangt. Mehr miteinander reden könnte zumindest für eine verbale Abrüstung sorgen. tf

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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