Warten auf das Elterngeld: Eine Betroffene berichtet

Das Amt hat geantwortet. Nach fast 15 Wochen bekommt Melanie Bartholdi endlich Elterngeld. | Foto: Frey
  • Das Amt hat geantwortet. Nach fast 15 Wochen bekommt Melanie Bartholdi endlich Elterngeld.
  • Foto: Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Friedrichshain-Kreuzberg. Am 24. Januar erhielt Melanie Bartholdi endlich die lang ersehnte Nachricht: Ihr Antrag auf Elterngeld war jetzt bewilligt - nach 15 Wochen Wartezeit.

Ende Dezember hatte die Berliner Woche darüber berichtet, dass es in Friedrichshain-Kreuzberg so lange dauert, bis Eltern ihren Bescheid und das Geld aus dieser Pflichtleistung warten müssen. Welche Probleme das mit sich bringt, wird am Beispiel von Melanie Bartholdi deutlich. Sie hatte nahezu parallel mit dem Ende ihrer Elterngeld-Odyssee eine Mail an die Berliner Woche geschickt. Das gleiche Schreiben ging auch an Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Grüne).

Melanie Bartholdis Sohn kam am 1. September 2014 zur Welt. Den Antrag auf Elterngeld hatte sie Mitte Oktober eingereicht. Vorher sei das gar nicht möglich gewesen, sagt die 35-Jährige. Denn ohne die Anmeldung für das Kind und weitere Behördennachweise könne man gar nicht bei der Elterngeldstelle vorstellig werden. Da diese Prozedur aber allein bis zu sechs Wochen in Anspruch nehme, sei der Zeitraum für das Mutterschaftsgeld, das die ersten acht Wochen nach der Geburt ausgezahlt wird, schon nahezu ausgeschöpft.

Nach der Abgabe des Antrags passierte erst einmal nichts. Kurz nach dem Jahreswechsel fragte Melanie Bartholdi beim Amt nach, wie weit die Bearbeitung fortgeschritten ist. Dabei wurde auch ihr die Frist von 15 Wochen mitgeteilt. "Ein Zustand, der für die Betroffenen völlig unzumutbar ist", findet die Mutter und macht das nicht nur an ihrem Beispiel fest.

Nach dem Auslaufen des Mutterschaftsgelds sollte das Elterngeld im besten Fall die Kosten für Miete und Essen decken, meint sie. Bleibt es aus, entsteht ein Loch in der Kasse. Zumal andere Unterstützungsleistungen, wie Wohngeld oder Kinderzuschlag, erst nach dem Erhalt des Elterngeldbescheids beantragt werden können. Außerdem sollte man auch nicht immer davon ausgehen, dass der Partner genug verdient. Abgesehen davon, dass das unerheblich sei. "In meinem Fall ist es so, dass meine Lebenspartnerin noch studiert und BAföG erhält, welches sicher nicht für die ganze Familie reicht, da es dafür gar nicht ausgelegt ist."

Sie musste in den vergangenen Wochen ihre Ersparnisse anzapfen, die aber zuletzt ebenfalls aufgebraucht waren. Denn die Außenstände vom Amt hatten sich mittlerweile auf rund 3500 Euro summiert.

Und was machen Frauen, die nichts auf der hohen Kante haben und sich auch kein "Übergangsgeld" von der Familie oder Freunden leihen können?, fragt Melanie Bartholdi. Oder Mütter, auf die nach der Geburt zusätzliche Ausgaben zukommen. Etwa, weil sie nicht stillen können und deshalb mehr Geld für Säuglingsnahrung ausgeben müssen?

Härtefälle würden auch jetzt schneller bearbeitet, sagt Monika Herrmann dazu auf Nachfrage der Berliner Woche. Ob eine finanzielle Zwangslage vorliege, lasse sich schon an den Anträgen ablesen.

Die Bürgermeisterin gibt aber zu, dass die Situation in der Elterngeldstelle alles andere als optimal sei. Bis Ende vergangenen Jahres gab es dort exakt 4,26 Stellen. Mittlerweile sind zwei weitere Kollegen dazugekommen. Sie haben jeden Monat zwischen 500 und 550 neue Anträge zu bearbeiten. Es werde auch versucht, über den Senat weitere Stellen zu bekommen. Denn andere Bezirke hätten ähnliche Probleme.

Nirgendwo sei die Situation aber so extrem wie in Friedrichshain-Kreuzberg, so die Erfahrungen von Melanie Bartholdi. Geärgert hat sie auch, dass es in all den Wochen nicht einmal einen Zwischenbescheid gegeben habe. "Anders war das beim Wohnungsamt, wo wenigsten mal ein Brief kam, der auf die lange Bearbeitungszeit hingewiesen hat."

Das passiere normalerweise auch in Sachen Elterngeld, sagt Monika Herrmann. Sie will sich nicht nur deshalb noch einmal persönlich an Melanie Bartholdi wenden.

Die musste nach ihren Erfahrungen über den Slogan lachen, mit dem das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg wirbt: "Unterstützung, die ankommt." Fragt sich nur, wann.

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 126× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 71× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 147× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.485× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.