Ordnungsamt verbietet "singende Balkone"

Friedrichshain. Die Premiere der "singenden Balkone" in Friedrichshain im Herbst 2013 war ein voller Erfolg. Am 1. November sollte es eine weitere Ausgabe dieser Veranstaltung geben. Aber sie wird nicht stattfinden.

Das Ordnungsamt zeigte den singenden Balkonen die rote Karte. Es bemängelte vor allem, dass aus seiner Sicht kein klares Konzept eingereicht wurde. Das betraf konkret die erwarteten Besuchermassen und damit verbundenen Einschränkungen für den Straßenverkehr. Bei Organisator Dr. Volker Siems vom Nachbarschaftsnetzwerk "Polly & Bob" bleibt dagegen ein anderer Eindruck. "Das Ganze war nicht gewollt", ist er überzeugt.

Bei der Veranstaltung waren auf rund 50 Balkonen in Friedrichshain kulturelle Darbietungen geplant. Theatervorführungen, Lesungen und vor allem Gesang. Besucher sollten auf verschiedenen Routen durch den Kiez geführt und dabei die Auftritte verfolgen können. So wie bei der Premiere im vergangenen Jahr, als teilweise bis zu 500 Menschen an einem Ort das Balkontreiben beobachteten.

Damals hatte Volker Siems das Event nicht angemeldet. Dieses Mal wollte er den Behördenweg einschlagen und wurde bereits im Juni zum ersten Mal beim Ordnungsamt vorstellig. Zunächst scheint sein Vorhaben auch eher wohlwollend aufgenommen worden zu sein. Nach gegenwärtiger Einschätzung würden "keine grundsätzlichen Bedenken" gegen das Balkonsingen bestehen, teilte ihm Amtschef Joachim Wenz am 31. Juli mit. Gleichzeitig machte er allerdings deutlich, dass vor allem der Umgang mit dem erwarteten Massenauflauf geklärt werden müsse.

Gerade um diese Frage entwickelte sich in der Folgezeit ein intensiver E-Mail-Verkehr, der bisweilen skurrile Züge annahm. Das Amt verlangte von Siems ein detailliertes Konzept. Der erwartete wiederum vom Amt, dass es ihm beim Abfassen behilflich ist und wollte die wichtigsten Fragen am liebsten persönlich klären. Sehr schnell wurde deutlich, dass hier zwei Welten aufeinander prallten. Hier der idealistische Antragsteller, der sein Vorhaben als unbedingt unterstützenswert im Sinne einer engeren Nachbarschaft ansah. Dort die Verwaltung, die auf Vorgaben pochte und vor allem beantwortet haben wollte, wie die Menschenmassen kanalisiert und welche Vorkehrungen der Veranstalter getroffen hatte. "So wie sich Herr Siems das vorgestellt hat, nämlich salopp gesagt ein paar Polizisten vorne und ein paar hinten am Zug geht es nicht", meinte Joachim Wenz. Auch mit seinem zunehmend kritischeren Ton machte sich der Balkon-Initiator bei der Verwaltung nicht unbedingt Freunde. Und schließlich begründete sie ihre endgültige Absage unter anderem auch damit, dass sie wegen des zunehmenden Personalengpasses "nicht mehr in demselben Umfang wie bisher" Hilfestellung leisten könne.

Volker Siems sieht in dem Agieren des Ordnungsamtes eine Einschränkung gesellschaftlicher Aktivitäten. Dagegen will er jetzt zu Felde ziehen. Denn als Ersatz für die singenden Balkone ist jetzt für den Abend des 1. November eine Demonstration unter dem Motto "Die Nacht der schweigenden Balkone" angemeldet. Sie soll um 18 Uhr an der Mattern-/Ecke Petersburger Straße beginnen und zum RAW-Gelände führen. Dafür gibt es wohl eine Genehmigung.

"Mein Fehler war, dass ich mich überhaupt an das Ordnungsamt gewandt habe", findet Siems im Rückblick. Dabei habe er dort schon zuvor schlechte Erfahrungen gemacht. Im Frühjahr wurde ein von ihm geplantes Flash-Frühstück auf der Oberbaumbrücke kurzfristig untersagt. Kurz darauf erhielt er keine Genehmigung für ein Straßenfest in der Knorrpromenade.

Die singenden Balkone seien eigentlich eine gute Idee, meint Ordnungsstadrat Dr. Peter Beckers (SPD). Anständig organisiert bestehe die Chance, dass sie 2015 wieder stattfinden könnten. Am besten sei es, wenn der Organisator auf professionelle Hilfe zurückgreife, etwa durch die Club Commission.

In diesem Jahr sei es ihm bei Strafandrohung untersagt, in irgendeiner Form zu der Veranstaltung aufzurufen, sagt Volker Siems. "Wenn einige Leute trotzdem auf ihren Balkonen singen, kann ich das aber natürlich nicht verhindern."

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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