Industriegeschichte im Untergrund: Verein führt durch Deutschlands ersten U-Bahntunnel

Unterwelten-Chef Dietmar Arnold und sein Team haben den vergessenen AEG-Versuchstunnel leergepumpt und für Besucher wieder zugänglich gemacht. | Foto: Dirk Jericho
3Bilder
  • Unterwelten-Chef Dietmar Arnold und sein Team haben den vergessenen AEG-Versuchstunnel leergepumpt und für Besucher wieder zugänglich gemacht.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Gesundbrunnen. Er ist deutsche Industriegeschichte und seit Jahren ungenutzt und fast vergessen: Der AEG-Versuchstunnel unter dem ehemaligen Werksgelände der Allgemeinen Electricitäts-Gesellschaft (AEG) an der Voltastraße gilt als der erste U-Bahntunnel Deutschlands.

3,15 Meter hoch, 2,60 Meter breit und 374 Meter lang: Vor 120 Jahren hat die AEG von ihrer Großmaschinenfabrik an der Voltastraße zur Apparatefabrik an der Ackerstraße einen Versuchstunnel für eine elektrische Röhrenbahn nach Londoner Vorbild gebaut. 1897 wurde der AEG-Versuchstunnel eröffnet und war zu Testzwecken bis zirka 1915 in Betrieb. Eine elektrische Bahn pendelte für betriebsinterne Zwecke und transportierte Arbeiter und Materialien von einem Fabrikgelände zum anderen. In Richtung der früheren AEG-Apparatefabrik an der Ackerstraße geht es in mehreren Kurven bis zu sieben Meter tief abwärts.

Im Ersten Weltkrieg wurden in dem seit 1986 denkmalgeschützten Bauwerk Granaten mit Sprengstoff befüllt. Davon zeugen noch heute Salpeterkristalle an den Wänden von den Sprengstoffsäcken, die dort standen, wie Dietmar Arnold sagt. Der Chef des Vereins Berliner Unterwelten, der im Juni seinen 20. Geburtstag feiert, hat den vergessenen Tunnel erforscht und führt ab April durch die geheimnisvolle Anlage. Berlins Maulwürfe und Experten für unterirdische Bauwerke haben bereits von 2005 bis 2009 Führungen im AEG-Versuchstunnel gemacht. Doch nach dem Verkauf der GSG-Gewerbehöfe an der Voltastraße an neue Investoren und der TU-Gebäude an der Ackerstraße an eine Privatschule gab es Rechtsstreitigkeiten, wer für den seit 1984 ungenutzten Tunnel zuständig ist. Wände wurden zugemauert und die Pumpe abgestellt, so dass die Röhre durch eindringendes Wasser geflutet wurde.

Die Berliner Unterwelten wollten schon länger den Tunnel und konnten sich nach dem Ende des Rechtsstreits 2014 mit den Eigentümern auf einen Nutzungsvertrag einigen.

Mehr als 200 000 Euro hat der Unterwelten-Verein für die Sicherung des Tunnels investiert. Seit Anfang 2016 ackern die Maulwürfe in der Betonröhre, um sie für Besucher zugänglich zu machen. Das Team von Dietmar Arnold hat ein Jahr lang die originalen Gleise (Normalspur, 1435 Millimeter, wie U- und Straßenbahn) wieder freigelegt und fehlende Abschnitte nachgebaut. Dazu musste auf gesamter Länge die Betonschicht über den alten Schienen abgebrochen werden. Die AEG-Arbeiter waren nach dem Ende des U-Bahn-Testbetriebs mit der elektrischen AEG-Röhrenbahn jahrzehntelang mit gummibereiften Fahrzeugen zwischen den Fabrikstandorten unterwegs. Im Zweiten Weltkrieg diente der Tunnel als Luftschutzanlage für die Werksangehörigen. Bis zu 1300 Menschen haben dort Platz gefunden. Einen Bombentreffer hätten sie jedoch nicht überlebt, „weil die Decke durchschlagen worden wäre“, sagt Arnold.

Alle Details zur Geschichte des Areals und besonders des Tunnels, der seit seiner Inbetriebnahme am 31. Mai 1897 für ganz unterschiedliche Zwecke genutzt wurde, gibt es ab dem 8. April bei den 90-minütigen Führungen. Die Berliner Unterwelten bieten die Exkursionen in die Tunnelröhre ganzjährig sonnabends um 11 und 13 Uhr an. Im Sommer sollten Besucher an warme Kleidung denken, denn im Tunnel sind durchgängig nur zehn Grad Celsius. Tickets zum Preis von elf Euro gibt es weder vor Ort noch an der zentralen Kasse im Unterwelten-Pavillon an der Brunnenstraße, sondern ausschließlich über den reservix-Onlineshop www.reservix.de (Suchbegriff: AEG-Versuchstunnel) oder an den reservix-Vorverkaufsstellen. Treffpunkt ist am Tunneleingang; Zugang über Voltastraße 6 (im Hof neben Treppe 12.1). DJ

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 230× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 194× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 105× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 225× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.560× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.