Friedrich Maletzki (90) blickt auf sein bewegtes Leben

Ein redseliger Glückspilz: Friedrich Maletzki gab mit Hilfe von Lebensgefährtin Eva Hinkel seine Geschichte zum besten. | Foto: Schubert
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Grunewald. Drucker in Kreuzberg, Gefangener im Krieg, plötzlich Geld wie Heu: Im Erzählcafé des Käte-Tresenreuter-Hauses fand ein glücklicher Mann Zuhörer für eine große Rückschau.

Aller Anfang war teuer. Zigtausend Mark blätterten die Eltern des kleinen Friedrich auf den Tisch - für eine offizielle Bescheinigung, dass es ihn gibt. Man schrieb das Jahr 1923, die Inflation galoppierte über die Schornsteine Berlins. Und so kosteten selbst nichtigste Dinge wie eine Geburtsurkunde absurde Summen. Es sollte lange dauern, bis Friedrich Maletzki selbst Geld in Schubkarren transportieren konnte. Das sollte dann aber auch etwas wert sein.

Heute ist Maletzki ein lebensfroher Mann von 90 Jahren, wohnhaft in Westend. Ein Mann, der etwas zu erzählen hat. Im Altenselbsthilfezentrum Käte-Tresenreuter-Haus fesselte er seine Zuhörer mit der klassischen Geschichte "Vom Tellerwäscher zum Millionär" in einer Berliner Variante.

Den Grundstock zum Geldsegen legte der junge Kreuzberger Drucker kurz vor dem Krieg - ohne es zu wissen: Für einen Auftrag nahmen Maletzki und sein Vater ein 4000 Quadratmeter großes Grundstück in Schöneiche in Zahlung, das schnell vergessen war.

Denn das Leben hielt Härten für ihn bereit: Eine Stationierung als Soldat in Posen. Schließlich in der Bretagne. Dort gehörte Maletzki zur Nachschubkolonne und sorgte für die Pferde. Aber nicht irgendwelche, sondern "nicht einspannbare" Problemfällen. "Die schlugen hinten aus, die schlugen vorne aus und bissen gleichzeitig", erzählt er. Nach den Pferdeküssen kam die Gelbsucht. "Wer daran litt, musste nicht nach Russland", sagt Maletzki. "Darum sitze ich noch hier." Dafür ging es in die Normandie, 1944, im Jahr der Invasion. Zunächst verblüffte den Nachschieber noch die landschaftliche Schönheit - "da sah es aus wie auf den Bildern der Sarotti-Schokolade."

An der Front geriet er unter Dauerfeuer, ohne Essen und Trinken. Irgendwann packten ihn in die Amerikaner, zogen ihn aus einem Loch und brachten ihn zu den Landungsboote an der Küste. Als Maletzki an Bord sollte, kam die Flut. Er musste zur Rampe schwimmen, wurde vom amerikanischen Soldaten aus den Wellen gefischt.

Dann fand er sich als Gefangener im britischen Edinburgh wieder. Neu eingekleidet und gut behandelt. Hier war die Frage: Kohlenschipper oder Küchenhelfer? Maletzki wurde letzteres. Ein Tellerwäscher, wie er im Buche steht. "Und ich hab nie ein böses Wort gehört."

1947: Die Heimkehr nach Berlin, nachts mit der Bahn durch den Grunewald. Das meiste lag in Trümmern - aber sein Haus stand noch, und die Eltern waren gesund. Nach und nach normalisierte sich das Leben, die Geschäfte der Druckereifirma kamen ins Laufen. Sogar der Computerhersteller IBM gehörte zu den Kunden. Dann der Verkauf der Maschinen, die Rente. Und die Millionen?

Bei diesem Teil der Geschichte schaltet sich Lebensgefährtin Eva Hinkel ein. "Das Grundstück in Schöneiche war während der Teilung Berlins verloren", gibt sie zu bedenken. Plötzlich aber war die Mauer weg. Und Hinkel musste Maletzki zwingen, nach dem Grundstück zu schauen. Die entscheidende Szene hat sich ihr ins Gedächtnis gebrannt: "Da gab es nur ein kleines, wackeliges Häuschen, sieben Eichen und lauter Kiefern. Und es kam eine Dame heraus, die sagte: Herr Maletzki, schön dass sie kommen. In einer Woche wäre das Grundstück an den Staat gefallen." 1,1 Millionen D-Mark brachte ihm der Verkauf im Jahre 1994. Was Maletzki sich als erstes kaufte? Neue Unterhosen und einen Mercedes. In dieser Reihenfolge.

Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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