Spandau. Manchmal braucht es nur wenige Kleinigkeiten, um eine ganze Welt zu schaffen. Dem Spandauer Volkstheater Varianta genügen dafür drei Schauspieler mit Musikinstrumenten.
Der Abend beginnt mit zwei Truhen, genauer gesagt, mit Särgen, in denen sich aber einiges tut. Der schon lange verblichene bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß (CSU) und der im vergangenen Jahr verstorbene SPD-Grande Helmut Schmidt berappeln sich wieder. Schließlich fehlen der Welt Politiker von ihrem Kaliber, die an einem Tag Kriege beenden, diplomatische Krisen lösen und sogar den Berliner Großflughafen endlich ans Netz bringen können.
Beide bekommen für einen Tag Urlaub vom Himmel, und die Zuschauer beschleicht schon Mitleid mit Helmut Schmidt, der sich dann mit deutschen Nichtrauchergesetzen herumschlagen müsste, obwohl er doch eine paradiesische Sondererlaubnis zum Qualmen bekommen hatte. Sonst hätte er ja schließlich die Hölle vorgezogen. Der künstlerische Varianta-Leiter Heinz Klever hat mit dem neuen Stück eine kabarettistische Komödie und komödiantisches Kabarett geschrieben und selbst in Szene gesetzt.
Die Rückkehr der beiden Politschwergewichte ins Leben beginnt wie bei Goethes Faust der Prolog im Himmel, dem dann das schnöde Erdendasein folgt. Dafür gibt es den Lateinlehrer Hajo (Heinz Klever), der vor dem Desinteresse seiner Schüler ins häusliche Werkeln flieht und die Bohrmaschine als intellektuellen Taktstock nutzt, und seine Frau Moni (Sonya Martin), die dem beruflichen Trauma einer Viertelstelle im soziokulturellen Zentrum Träume von veganem Leben entgegensetzt.
Dazwischen bewegt sich Sohn Fritjof (André Rauscher), der im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt immer noch das Hotel Mama nutzt und jeden Tag eine andere Karriere anstrebt, sei es als Bankberater oder indischer Weiser. Absurde Alltagskomik wenden die drei Darsteller immer wieder in Fragen zur Lage der Gesellschaft im Allgemeinen. Da wird die political correctness auf den Prüfstand gestellt, um die sich Strauß und Schmidt einst einen feuchten Kehricht kümmerten, und mit ausgefeilten Beleidigungen des jeweiligen politischen Gegners verhinderten, dass sich wie gegenwärtig populistisches Geschwafel ohne Faktengrundlage in Wahlerfolge ummünzen lässt.
Dazwischen geht es in Handlung wie Songs um den gewöhnlichen Wahnsinn, wenn zum Beispiel Fritjof sein neues Smartphone nicht mehr nutzen kann: Nicht er trennt sich von dem Gerät. Das Smartphone hat erkannt, dass sein Nutzer keinen genügend hohen IQ hat, und beendet die Verbindung von Mensch und Maschine. Alle Inhalte der Varianta-Truhe seien hiermit dem Publikum empfohlen.
„In der Truhe liegt die Macht!“ wird noch bis ins kommende Jahr immer an den Wochenenden sowie einigen Freitagen im Spandauer Volkstheater Varianta, Carl-Schurz-Straße 59, gespielt. Nächste Vorstellungen 3. Dezember, 20 Uhr, 4. Dezember 18 Uhr. CS
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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