In der Freiheit im Knast

Die Freiheit endet an der Köpenicker Feuerwache, die zurzeit umgebaut wird. | Foto: Ralf Drescher
7Bilder
  • Die Freiheit endet an der Köpenicker Feuerwache, die zurzeit umgebaut wird.
  • Foto: Ralf Drescher
  • hochgeladen von Ralf Drescher

Prominente, Blumen, sogar Fische schaffen es in Köpenick auf ein Straßenschild. Und auch Weltwunder.

„Freiheit“ steht auf dem Schild. Die Straße ist vielleicht 200 Meter lang und führt von Alt-Köpenick bis zur im Umbau befindlichen Feuerwache. Und das soll ein Weltwunder sein? Naja, zumindest ein Köpenicker Weltwunder oder besser ein Kuriosum. Denn ausgerechnet in dieser Straße mit dem Namen „Freiheit“ befand sich einst das Köpenicker Gefängnis.

Das Gebäude steht noch immer auf dem Hof der Musikschule Freiheit 15. Und zum Spaß hat man in eine der schon lange leeren Zellen den Hauptmann von Köpenick gesetzt. Der beziehungsweise sein figürlicher Nachbau darf da seit dem Hauptmann-Jubiläum 2006 über seine Schandtat, den legendären Kassenraub von 1906, nachdenken. Für Touristen gibt es extra eine Plattform für den besseren Blick hinter die Gitterstäbe. Allerdings ist diese Geschichte Legende. Wilhelm Voigt, der falsche Hauptmann, saß nie in Köpenick ein. Gestellt hatte er sich ja im Polizeipräsidium am Alexanderplatz. Und seine vierjährige Gefängnisstrafe büßte Voigt dann bis zur Begnadigung in der Strafanstalt Plötzensee ab.

Der Name der Köpenicker Freiheit hat im Übrigen gar nichts mit Freiheit im Sinne von nicht im Knast sitzen zu tun. Die Straße hieß einst Kurfürstliche Freiheit und wurde 1765 in Freiheit umbenannt. Der Name bezieht sich auf die liberale Flüchtlingspolitik der brandenburgischen Kurfürsten, die hier wegen ihres Glaubens verfolgte Hugenotten siedeln ließen. Bereits 1705 standen in der Freiheit die ersten 25 Häuser. Da die Neuankömmlinge, darunter Tuchmacher und Seidenweber, hochwillkommen waren, befreite sie der Kurfürst von Steuern und militärischer Einquartierung. Daher rührt der Name Freiheit.

Ob heute hier noch Nachkommen der Hugenotten wohnen, lässt sich kaum feststellen. Zumindest hat deren Kirche, die Reformierte Schlosskirchengemeinde, in der Straße immer noch ihre Verwaltung. Das Gotteshaus selbst befindet sich seit über 300 Jahren auf der nahen Schlossinsel.

Heute befinden sich in der Freiheit die bezirkliche Musikschule, die Kultureinrichtung Freiheit 15 mit Veranstaltungssaal und Restaurantschiff, mehrere Kneipen, ein Hotel und kleine Geschäfte. Eine Gedenktafel erinnert an die erst 1910 eingeweihte Synagoge der jüdischen Gemeinde in Köpenick. Sie stand in der Freiheit 8. Zu den jüdischen Köpenickern, die hier beteten, soll auch AEG-Mitbegründer Erich Rathenau gehört haben. Am 9. November 1938 wurde die Synagoge von der SA geplündert und in Brand gesteckt. Nach 1945 wurde das im Krieg weiter zerstörte Gebäude abgerissen. Um die Jahrtausendwende hat die Jewish Claim Conference das Grundstück verkauft, darauf wurde ein Wohnhaus errichtet. Dort erinnert eine Tafel an die Geschichte dieses Standorts.

Die Straße „Freiheit“ mit dem früheren Gefängnis ist übrigens nicht das einzige örtliche Weltwunder. Der Volksmund zählte auch einen Bürgermeister namens Borgmann, einen Lehrer mit dem Namen Dummer und den bekannten Stadtarzt Dr. Todt dazu. Aber das sind schon wieder andere Geschichten.

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

15 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 111× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 31× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 132× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.470× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.