Rund um den ehemaligen Blumengroßmarkt wird ab Sommer gebaut

Das neue Verlagsgebäude der taz soll hier rechts auf der bisherigen Freifläche an der Friedrichstraße entstehen. | Foto: Frey
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Kreuzberg. Der Planet Neptun wurde 1846 in der damaligen Sternwarte an der Friedrichstraße entdeckt. Ein Ereignis, an das Hendrijke Ehlers erinnerte.

Ihre Kenntnis der Himmelskunde bettete die Schuhmacherin aus der Hedemannstraße bei der Diskussionsveranstaltung am 12. Februar zu den Bauvorhaben am ehemaligen Blumengroßmarkt in eine weitaus größere Botschaft: Ihr passen die ganzen Veränderungen nicht. Besonders abgesehen hat sie es auf den geplanten Neubau der "Tageszeitung" (taz) vis-à-vis von ihrem Laden. Dort, wo sich zwischen 1832 und 1913 die Sternwarte befand.

Auf fünf Baufeldern werden zwischen Linden- und Friedrichstraße sechs Gebäudekomplexe entstehen. Vorgesehen sind Geschäfte sowie Räume für Unternehmen der Kreativ- und Sozialwirtschaft. Und natürlich Wohnungen.

Hendrijke Ehlers kritisiert neben fehlendem Geschichtsbewusstsein auch das Abholzen mehrerer Bäume, dazu Belästigungen der Anwohner und Gewerbetreibenden durch die Bauarbeiten. Bisherige Mieter und Geschäftsleute, so fürchtet sie, würden noch stärker verdrängt. Und wegen der schwierigen topographischen Verhältnisse werde es ebenfalls Probleme geben.

Kaum jemand formulierte seine Ablehnung so extrem wie die Schuhmacherin. Aber auch andere Teilnehmer der Versammlung im IG Metall-Haus an der Alten Jakobstraße hatten Bedenken. Sie zumindest etwas abzubauen, war das Ziel an diesem Abend.

Zunächst passierte das in Form von Kurzportraits. Fast alle Bauherren betonten dabei ihren besonderen Bezug zu Kreuzberg und dieser Gegend. "Hier werden keine Ufos landen", meinte Gunther Hagen vom integrativen Bauprojekt auf dem Baufeld IV.

In seinem Vorhaben entlang der E.T.A.-Hoffmann-Promenade sollen Bürogemeinschaften, Ateliers und ein sozialer Träger Platz finden. Außerdem hat die Baugenossenschaft 66 Wohnungen vorgesehen. Die werden größtenteils als Eigentumsappartements verkauft. So lassen sich kostengünstige Mieten für die anderen Flächen subventionieren.

Ähnlich klang das bei Benita Braun-Feldweg, Bauherrin und Architektin des Metropolenhauses auf dem Baufeld V zwischen Linden- und Markgrafenstraße. Jeweils 15 Prozent plant sie für Projekträume oder Gastronomie sowie kleinteilige Gewerbeeinheiten, die zumindest teilweise preiswert angeboten werden. Der Rest, von der zweiten bis zur sechsten Etage, ist für Wohnungen reserviert. Auch hier vorwiegend im Eigentum, damit die Rechnung aufgeht.

Für Wirtschaftsstadtrat Dr. Peter Beckers bedeuten diese Vorhaben schon deshalb eine ganz andere Qualität, als das sonst übliche Investorenmonopoly. Dafür habe bereits die Ausschreibung für die Grundstücke gesorgt. Anders als bisher meist üblich, verlief sie nicht nach dem Höchstpreis-, sondern nach einem Konzeptverfahren. Was vor allem ein Wunsch des Bezirks war. Zuvor hätten zahlreiche Veranstaltungen und Workshops zur Zukunft des Blumengroßmarkt-Areals stattgefunden, konterte Beckers Vorwürfe, die Bevölkerung sei lange nicht informiert gewesen. Die Geschäftsleute forderte er auf, die künftigen Chancen zu sehen. "Es kommen neue Bewohner, Arbeitsplätze und damit zusätzliche Kunden."

Zu ihnen gehört auch die taz, der Lieblingsgegner von Hendrijke Ehlers. Der Verlag wird von seinem bisherigen Standort an der Rudi-Dutschke-Straße auf das Baufeld I an der Friedrichstraße umziehen. Er musste sich, ebenso wie zwei weitere Investoren, nicht dem Bieterverfahren unterziehen, sondern kaufte die Fläche direkt vom Liegenschaftsfonds. Innerhalb von acht Wochen hätten Unterstützer Anteile in Höhe von sechs Millionen Euro für den Neubau gezeichnet, sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch. Er soll außerdem durch einen Kredit sowie 3,35 Millionen Euro Staatsknete aus dem Topf "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" finanziert werden.

Für Ruch ist nicht die Sternwarte der Bezug zu früher, sondern die später dort vorhandene Gebäudezeile, die seit dem Bombenangriff vom 3. Februar 1945 verschwunden ist. Mit anderen Problemen hat nicht nur die taz zu kämpfen: Der Untergrund ist wirklich schwierig, was sich bereits beim Bau der heutigen U-Bahnlinie 6 in den 20er-Jahren gezeigt hat. Die Baustellenlogistik soll so gut es geht abgestimmt werden. Darüber wird im Sommer in einer sogenannten Bauhütte im Besselpark detaillierter informiert. Denn ab diesem Zeitpunkt gehen die Arbeiten auf den ersten Grundstücken los. Bis zum Jahresende haben alle einen Baustart vorgehen.

Er werde nach dem Einzug Mitarbeiter und Besucher auf das Geschäft von Hendrijke Ehlers hinweisen und ihr weitere Kunden zuführen, versprach der taz-Chef beschwichtigend. Die wies das Angebot zurück: "Ich brauche keine Almosen."

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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