Von Wittenberg in die Welt: Martin-Gropius-Bau zeigt "Der Luther Effekt"

Martin Luther (Mitte) ist auf diesem Bild zwar das Zentrum, aber nicht der einzige Vertreter des Protestantismus. | Foto: Deutsches Historisches Museum
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  • Martin Luther (Mitte) ist auf diesem Bild zwar das Zentrum, aber nicht der einzige Vertreter des Protestantismus.
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Kreuzberg. 2017 steht im Zeichen des 500. Reformationsjubiläums. Unter anderem gibt es drei große Ausstellungen: in Wittenberg, auf der Wartburg bei Eisenach und im Martin-Gropius-Bau.

Dort beschäftigt sich seit 12. April "Der Luther Effekt" mit dem weltweiten Ausbreiten des Protestantismus. Er entstand aus den Glaubenssätzen Martin Luthers, entwickelte sich danach aber ganz unterschiedlich. Heute gibt es rund um den Globus eine kaum zu überblickende Menge an verschiedenen Varianten dieser Religion. Sie werden im Gropius-Bau vor allem anhand von vier Länderbeispielen, nämlich Schweden, Tansania, Korea und USA, aufgezeigt.

Schweden war eines der ersten Länder, das Luthers Lehre annahm. Später erwuchs aus der religiösen auch eine politische Mission als protestantische Vor- und Schutzmacht. Deutlich wurde das 100 Jahre später im Dreißigjährigen Krieg. Nach innen ergab sich eine Symbiose von Kirche und Staat, einschließlich Zwangsmissionierung indigener Volksgruppen.

Tansania gehört zu den afrikanischen Staaten mit einem hohen Anteil protestantischer Christen. Ins Land gebracht wurde die Religion durch Missionare. Die Gemeinden dort zeichnet eine emotionale Spiritualität aus. In ihnen haben sich Traditionen und Anschauungen erhalten, die der europäische Protestantismus inzwischen überwunden hat, etwa die Einstellung zu Frauenrechten und Homosexualität. Als der Berliner Fotograf Karsten Hein im vergangenen Jahr durch Tansania reiste, wurde er Zeuge eines Exorzismus.

In Südkorea hat der Protestantismus erst ab den 1960er-Jahren richtig Fuß gefasst. Inzwischen befinden sich einige seiner größten Gotteshäuser dort. Ein Grund für die Anziehungskraft war die eher distanzierte Haltung der Kirchenleitung zu manchem, was offizielle Staatsdoktrin war und ist. Nicht nur deshalb interessierte die Macher des "Luther Effekts" die Frage, wie sich der Protestantismus in einem noch immer geteilten Land verhält.

In den Vereinigten Staaten schließlich, nach eigener Anschauung "Gottes verheißenes Land", gibt es unzählige Gruppen und Grüppchen, die sich irgendwie auf den Protestantismus berufen. Begründet ist das in der Einwanderungsgeschichte. Bei den ersten Einwanderern handelte es sich oft um aus Europa vertriebene Glaubensflüchtlinge. Kirche und Staat sind in den USA getrennt, was aber eher zu einer starken gesellschaftlichen Präsenz der Religion geführt hat. Sklavenhalter und Anhänger der Rassentrennung zählten sich ebenso zu den Protestanten, wie gerade aktuell konservative, teilweise reaktionäre Prediger und Gemeindemitglieder. Ebenso aber auch viele Schwarze, die die Religion durch Spirituals um eine, auf ihr Schicksal bezogene Form und Aussage bereicherten.

Das sind vier Beispiele, die einen Eindruck vermitteln, was durch Martin Luthers (wahrscheinlichen) Thesenanschlag vom Oktober 1517 in Wittenberg in die Welt gesetzt wurde. Das wird in der Ausstellung ebenso thematisiert wie die Entstehungsgeschichte, die vielen Ausprägungen des Protestantismus und sein Verhältnis zu anderen Weltreligionen.

Den Unterschied zum Katholizismus hat der Künstler Hans-Peter Kuhn in einer Installation dargestellt. Sie zeigt eine nach oben offene, an den Seiten aber begrenzte Gitterkonstruktion. Luther habe den direkten Weg jedes Gläubigen zu Gott geöffnet, erklärt Kuhn sein Werk. Die Zwischenstation über den Priester sei damit entfallen, aber auch die "kleinen Schweinereien", denen sich ein katholischer Sünder mittels Beichte entledigen könne. Deshalb stehe der Protestantismus für die Seitengitter, innerhalb der sich sein selbst geprüftes Leben bewegen soll. tf

Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchner Straße 8, ist bis zum 5. November zu sehen. Geöffnet ist täglich außer dienstags von 10 bis 19 Uhr. Der Eintritt kostet zwölf, ermäßigt sechs Euro. Er ist für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren frei. Es gibt ein Rahmenprogramm mit Führungen sowie Angebote speziell für Familien. Weitere Informationen sind unter www.gropiusbau.de und www.3xhammer.de nachzulesen.
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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