Zwei Stolpersteine wurden erneut verlegt

Michael Rohrmann verlegte die beiden Gedenkquader für Moritz und Julia Katz. | Foto: Frey
  • Michael Rohrmann verlegte die beiden Gedenkquader für Moritz und Julia Katz.
  • Foto: Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Kreuzberg. 6000 Stolpersteine erinnern in Berlin an das Schicksal jüdischer Mitbürger während des Nationalsozialismus. Die Zeremonie am 7. November an der Skalitzer Straße 131 war allerdings in mehrerer Hinsicht besonders.

Zum einen deshalb, weil das dort bereits zum zweiten Mal passierte. Schon am 26. April wurden Gedenkquader für das Ehepaar Moritz und Julia Katz eingesetzt. In der darauffolgenden Nacht waren sie von Unbekannten gestohlen worden. Die Diebe sind bis heute nicht ermittelt.

Gleiches gilt für die Täter, die Ende August den Anbau der Mevlana-Moschee angezündet haben. Vor diesem Gotteshaus befinden sich die Steine. Beide Anschläge werden deshalb im Zusammenhang gesehen. Die Erinnerung an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus sei für manche noch immer ein Störfaktor. Und gerade im vergangenen Sommer hat es während des Gaza-Kriegs die seit langem schlimmsten antisemitischen Ausschreitungen in Deutschland gegeben. Parallel dazu häuften sich Übergriffe auf muslimische Einrichtungen. Das alles wurde als Beleg für einen weiter starken Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gesehen.

Zumindest war das der Tenor bei den Reden anlässlich der erneuten Stolperstein-Einweihung. Als ein "Zeichen von Kooperation und des Dialogs" wertete beispielsweise Aycan Demirel, Leiter der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus die Veranstaltung. Ähnlich klang das bei Stephan Kramer, dem ehemaligen Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Die Lehren aus dem Holocaust verpflichten uns alle", sagte Kramer. Und der Aufstand der Anständigen bedeute eine "Aufforderung an die Zuständigen" die Rechte jeder Minderheit und Religion zu schützen. Ähnlich klang das auch bei den Vertretern der Türkischen Gemeinde, des Islamrats sowie bei BVV-Vorsteherin Kristine Jaath (B 90/Grüne).

So wurden die Stolpersteine für Moritz und Julia Katz zu einem Symbol, ihr Schicksal und das ihrer Familie nicht nur eine Erinnerung an die Vergangenheit, sondern gleichzeitig Mahnung für die Gegenwart. Die Eheleute, beide 1871 geboren, betrieben an der Skalitzer Straße ein Haushaltswarengeschäft. Sie hatten vier Kinder. Eines starb bereits sehr jung. Zwei, der Sohn Siegbert und die Tochter Rosa wurden 1942 in Auschwitz ermordet. Siegbert Katz hatte sich seit Ende der 20er Jahre in der Sozialistischen Arbeiterpartei engagiert. Er wurde bald nach der Machterfreifung der Nazis verhaftet und erlebte danach einen Leidensweg durch mehrere Konzentrationslager.

Nur die Tochter Ruth war bereits 1933 nach Palästina ausgewandert. Ihr folgten die Eltern sechs Jahre später und damit in letzter Minute. Denn nach Ausbruch des zweiten Weltkriegs war eine Emigration von Juden aus Nazideutschland nur noch in sehr wenigen Fällen möglich. Dass das Ehepaar so lange damit wartete lag wahrscheinlich daran, dass sie bis zuletzt hoffen, ihre beiden Kinder mitnehmen zu können.

Julia und Moritz Katz lebten bis zu ihrem Tod 1958, beziehungsweise 1961, in einem Kibbuz in Israel. Sie starben, ohne näheres über das weitere Schicksal von Siegbert und Rosa zu erfahren.

Es war ein heute in Kanada lebender Enkel, der sich intensiv mit seiner Familiengeschichte beschäftigte und dabei die Berliner Wurzeln freilegte. Der Mann kam auch zur ersten Einweihung im April. Der Diebstahl der Stolpersteine wenige Stunden später war ihm bisher verschwiegen worden. Erst jetzt, nachdem sie erneut verlegt wurden, soll er darüber informiert werden.

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 101× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 541× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 504× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 457× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 480× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.