Mexikanische Küche und "deutsche Standards": Flüchtlinge betreiben Restaurant

Jeanne Grabner (hinten, dritte von rechts) und das Küchenpersonal im Milaa. Von rechts: Abraham, Juan, Marcela, Brhane und Achmed. | Foto: Thomas Frey
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Kreuzberg. Die Mitarbeiter sind im Stress. In wenigen Stunden ist Eröffnung. Aber für ein Foto haben die meisten kurz Zeit. Zusammengeholt werden sie in verschiedenen Sprachen und durch Handzeichen.

Am 20. September startete der Betrieb im Restaurant "Milaa" in der Skalitzer Straße 45. Das Kellerlokal hat 60 Plätze und strahlt eine heimelige Atmosphäre aus. Auf der Speisekarte finden sich mexikanische Gerichte, im Getränketeil zahlreiche Cocktails. Und das Küchen- und Servicepersonal ist international.

Die Belegschaft besteht aus Geflüchteten unterschiedlichster Herkunftsländer. Syrer und Afghanen sind ebenso darunter wie Menschen aus Eritrea oder Lateinamerika. Im Milaa fanden sie ihren ersten Job, der mehr sein soll, als nur eine berufliche Betätigung.

Jeanne Grabner ist in den letzten Vorbereitungen vor der Premiere. Das Projekt sei innerhalb sehr kurzer Zeit realisiert worden, erzählt die Geschäftsführerin der Milaa gGmbH, dem Träger und Namensgeber des Restaurants. Der Name steht für "Miteinander leben, aber anders". "Erst im Juli haben wir erfahren, dass die Räume frei werden." Sie passten für das, was nicht nur dort als wichtige Aufgabe gesehen wird. Nämlich Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Milaa betreibt mehrere Unterkünfte für Geflüchtete in der Stadt. "Dort bieten wir bereits verschiedene berufliche Angebote, etwa im IT-Bereich", sagt Grabner. Und jetzt eben auch ein Restaurant.

Die Mitarbeiter kommen dorthin und verlassen damit ihre bisher gewohnte Umgebung. Schon dadurch sind sie auch zu eigenen Integrationsbemühungen herausgefordert. Das gilt noch mehr im Lokal. Sie müssen sich untereinander und auch mit den Gästen verständigen. Ein schnelles Lernen der Sprache sei deshalb eine Voraussetzung und werde durch die ständige Praxis erleichtert, meint Grabner. Außerdem gehören zusätzliche Deutschkurse zum Arbeitstag.

Auch insgesamt soll der Betrieb nach "deutschen Standards" ablaufen, wie sie lächelnd anmerkt. Damit ist vor allem ein organisierter Service gemeint. Geschirr bleibt nach dem Essen nicht allzu lange auf dem Tisch, die Einrichtung sieht zu jeder Zeit einladend aus, Höflichkeit wird gepflegt.

Neben der einen oder anderen interessanten Sichtweise bringt das Personal vor allem den eigenen kulinarischen Hintergrund ein. Mexiko sorgt hier für das Grundgerüst, weil sich die lateinamerikanischen Kollegen zunächst besonders hervorgetan haben. Geplant sei aber, sehr bald zusätzlich und im wöchentlichen Wechsel auch typische Gerichte anderer Ländervertreter anzubieten, so Grabner.

Die Mitarbeiter vermitteln den Eindruck, als seien sie mit ihrem Los ganz zufrieden. Das resultiert vielleicht auch aus einem gewissen Selbstbewusstsein. Denn sie haben sich gegen zahlreiche Mitbewerber durchgesetzt, um den Job zu bekommen.

Der erste Schritt sei ein Bewerbungsverfahren unter den Bewohnern ihrer Unterkünfte gewesen, die über Kenntnisse in der Gastronomie verfügen, beschreibt die Milaa-Geschäftsführerin das Verfahren. Eine weitere Voraussetzung bestand darin, dass allen das Aufnehmen einer Tätigkeit erlaubt war. Am Ende wurden zehn Personen aufgrund ihrer Qualifikation ausgewählt. Schon die Bewerbungen, aber auch die allein an fachlichen Kriterien ausgerichtete Auswahl hätten aber zur Folge gehabt, dass kaum Frauen berücksichtigt werden konnten, was viel über die Geschlechterrollen in den Herkunftsländern aussage. Hier ebenfalls auf "deutsche Standards" zu kommen, ist eine weitere Aufgabe.

Das Procedere der Stellenbesetzung unterstreicht, dass es sich hier nicht um ein Wohlfühlprojekt handelt. Vielmehr funktioniert das Lokal in allen Facetten nach den Regeln des Marktes. Deutlich wird das nicht zuletzt an der Aussage eines Beschäftigten. Abgesehen davon, dass ihm der Job Spaß mache, sagt der Mann lächelnd, bekomme er hier "viel Geld". Darin unterscheidet sich das Milaa-Projekt von vielen anderen Flüchtlingsarbeitsintiativen, die häufig nur auf Praktikums- oder geringfügiger Beschäftigungsbasis laufen.

Als freier Träger darf die Institution zwar keine Gewinne machen, dauerhafte rote Zahlen seien aber auch nicht drin, stellt Grabner klar. Spätestens in zwei Jahren müsse deshalb beim Restaurant "eine schwarze Null" stehen. Es ist ein Geben und Nehmen zwischen Erwartungen und Umgang auf Augenhöhe. Das bietet die Chance einer wirklichen Integration. Genügend Gäste im Restaurant können dazu ebenfalls beitragen. Es ist täglich von 12 bis 24 Uhr geöffnet. tf

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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