Ausstellung zeichnet wichtigste Stationen der DDR-Jugendkultur nach

Zur Punkkultur in der Erlösergemeinde gehörten auch bemalte Transparente und Bier, weiß der Historiker Dirk Moldt. | Foto: Wrobel
  • Zur Punkkultur in der Erlösergemeinde gehörten auch bemalte Transparente und Bier, weiß der Historiker Dirk Moldt.
  • Foto: Wrobel
  • hochgeladen von Karolina Wrobel

Lichtenberg. Von den Jugendlichen im Lichtenberger Tunnel in den 1960er Jahren über den Jugendklub "Napf" bis zum Konzert von "Sperma-Combo": die multimediale Ausstellung im Museum Lichtenberg zeigt die Geschichte der Jugendkultur in der DDR.

"Punksein, das war eine Lebenshaltung", weiß Historiker Dirk Moldt. "Wir hatten ein anarchisches Weltbild. Allein schon das Aussehen der Punks war eine Provokation." Der 51-Jährige war in den 1980er-Jahren als Hippie-Punk in Ost-Berlin unterwegs, erinnert sich noch gut an Abende im Professor-Fischer-Haus, das Bier im "Leichenkeller", Tee im Jugendklub "Napf", Konzerte in der Erlöserkirche in der Nöldnerstraße. "In der Jugendkultur ging es um mehr als den Generationskonflikt", so Moldt. "Die Jugendlichen waren politisiert."

Allein die Unangepasstheit ließ sie schon mit den SED-Doktrin aneinandergeraten. 1957 formulierte der Zentralrat der FDJ, "ein junger Erbauer des Sozialismus zeichnet sich durch Treue zur Sache der Republik aus." Im Dienst dieser Sache standen auch kurze Haare, konventionelle Kleidung und nicht zuletzt konformes Verhalten. Wer sich widerspenstig gab, geriet zugleich auch immer in den Verdacht des politischen Widerstands. "Widerspenstig und widerständig - Jugendkultur in Lichtenberg von 1960 bis 1990" heißt deshalb auch die Ausstellung. Sie zeichnet nicht nur die Musik von der Beatszene über Sinti-Musik bis hin zum Punk nach, sondern auch, wie und wo die jeweilige Jugendkultur in Lichtenberg ausgelebt wurde. Dabei traten die Gruppen in vielfältiger Form auf, zuletzt wurden sie auch von Aktivisten der Gleichberechtigung für Frauen und Homosexuelle flankiert.

Wie schnell eine eher unpolitische Protestkultur von Jugendlichen mit der SED-Diktatur kollidierte, ist zu Beginn der Zeitachse in der Ausstellung abzulesen. So etwa entwickelte sich schon in den 1960er-Jahren der Fußgängertunnel am Lichtenberger Bahnhof zum bekannten Treffpunkt der Beatszene. Die "Langhaarigen" wurden dabei nicht nur von der Polizei angegangen. Auch viele Bürger fühlten sich durch das "rowdyhaftes Verhalten" der Jungen provoziert. "Die Gesellschaft in der DDR war extrem intolerant", weiß Dirk Moldt.

So bedeutete jugendlicher Protest oft auch den Ausschluss aus der Gesellschaft. Auflehnung mündete nicht nur im Fingerzeig der Nachbarn, sondern auch in herabwürdigende Bestrafung wie Zwangsarbeit, Überstellung in Umerziehungsheime oder Wegschluss in Gefängnissen. Eine Abweichung von der ideologisch festgelegten Norm wurde oft als "asoziale Lebensweise" verfolgt.

Mit so mancher Sache musste sich der Staat allerdings abfinden: "Irgendwann wurden selbst die Langhaarigen hoffähig", resümiert Moldt. Deshalb brachten Jugendliche Protest beispielsweise als Punks mit selbst gebastelten Ansteckern aus Bierflaschenkorken und bunte Haaren zum Ausdruck. Ende der 1980er-Jahre mündete dieser Protest schließlich auf die Straße und verschmolz mit der Bürgerbewegung in die friedliche Revolution. Doch der Beitrag der Jugendlichen bleibt bis heute zu wenig beachtet, findet Moldt. "Viele Jugendgruppen wirkten an der DDR-Opposition mit. Darunter die Alösa-Punks, die sich gegen den Wahlbetrug 1989 richteten." Die Geschichte ihrer Bewegung zeigt die Ausstellung anhand von Flugblättern, "Fanzines" und bemalten Stoffbahnen.

Die Ausstellung im Museum Lichtenberg, Türrschmidtstraße 24, ist bis 30. April Dienstag bis Freitag sowie Sonntag 11 bis 18 Uhr zu sehen. Eintritt frei. Informationen unter www.museum-lichtenberg.de.
Karolina Wrobel / KW
Autor:

Karolina Wrobel aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

PolitikAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 54× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 47× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 153× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 556× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.