Termin im Amtsgericht: Räumungsklagen und Betreuungsverfahren nehmen zu

Die Abgeordnete Antje Kapek im Gespräch mit dem Richter Werner Gräßle. | Foto: Wrobel
  • Die Abgeordnete Antje Kapek im Gespräch mit dem Richter Werner Gräßle.
  • Foto: Wrobel
  • hochgeladen von Karolina Wrobel

Lichtenberg. Im Amtsgericht Lichtenberg verzeichnet der Richter Werner Gräßle neue Trends: Es gibt immer öfter Streit um die Wohnung. Immer öfter brauchen Menschen auch einen Betreuer.

Werner Gräßle ist seit sechs Jahren Präsident des Amtsgerichts Lichtenberg und Richter. Gräßle weiß: „Die Gentrifizierung kommt langsam in Lichtenberg an.“ Wie sich dieser Trend im Amtsgericht niederschlägt und welche Schlüsse daraus gezogen werden können, darüber informierte sich jüngst die baupolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, bei ihrem Besuch. Sie sieht die aktuelle Situation von Mietern in ganz Berlin kritisch: „Der Anreiz für Vermieter zu klagen und neu zu vermieten ist viel zu hoch.“ Als Direktwahlkandidatin in Lichtenberg fordert sie deshalb auch im Bezirk entsprechend einzugreifen. In Gebieten, die durch Gentrifizierung bedroht sind, könnten die Mieter durch eine Milieuschutzsatzung profitieren, findet Kapek.

Viele Mieter im Bezirk kommen tatsächlich oft in eine gefährliche Situation: „Wer Mietschulden hat, muss aufpassen“, sagt Werner Gräßle. Mehr als 6500 Verfahren zu Mietsachen werden derzeit am Amtsgericht Lichtenberg verhandelt. „Die Hälfte davon sind Räumungsklagen.“ Oft gewinnt der Vermieter: Wenn er dem Mieter fristgemäß gekündigt hat, habe der nur noch wenig Chancen, seine Wohnung zu behalten, so die Erfahrung des Richters. „Der gesetzlich verankerte soziale Schutz ist gering.“ Neben Räumungsklagen gibt es auch viele Eigenbedarfskündigungen im Bezirk, weiß der Richter. Auch das sei ein Indiz für Gentrifizierung.

Doch es sind nicht nur Mietprobleme, die im Amtsgericht verhandelt werden: Einen besonderen Stellenwert nehmen auch die Betreuungsverfahren ein. So gebe es immer mehr Menschen, die einen Betreuer zur Seite gestellt bekommen müssen, erklärt Werner Gräßle. In Lichtenberg werden derzeit 9300 Betreuungsverfahren geführt – die meisten aller berliner Bezirke. Das liegt auch an der demographischen Entwicklung: Es gibt immer mehr Hochbetagte. Erkrankungen wie Demenz nehmen zu. Gräßle: „Betreuer werden aber nur dann vom Richter bestellt, wenn die betroffene Person in bestimmten Bereichen für sich nicht mehr entscheiden kann.“

Es geht schon mal um Diamanten und Ü-Eier

Nicht zuletzt muss das Gericht auch immer öfter über Nachlässe entscheiden. „Da gibt es ganz kuriose Totensorge-Angelegenheiten“, weiß der Richter. Etwa, wenn die Angehörigen sich darüber streiten, ob die Asche der Oma zum Diamanten gepresst werden soll – diese Dienstleistung wird mittlerweile von vielen Bestattungsunternehmen angeboten.

Bedacht werden sollte auch die Art des Nachlasses. Denn so mancher Erbschaftswert setzt eine ungeahnte Expertise voraus: „Wir mussten auch schon einen Sachverständigen für den Inhalt von Überraschungseiern einschalten. Er hat einem Erben die Echtheit des geerbten ‚Flötenschlumpfes‘ dann tatsächlich bescheinigt.“ Diese Probleme, so der Rat des Richters, könnten meist mit einem rechtlich gültigen Testament vermieden werden. KW

Autor:

Karolina Wrobel aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 158× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 106× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 172× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.508× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.