Gedenkort statt Logistikzentrum gefordert

Wenn die Gleise und Weichen nicht Bahnbetriebszwecken gedient haben, können sie nur für den Transport von Zwangsarbeitern verlegt worden sein. | Foto: Ed Koch
  • Wenn die Gleise und Weichen nicht Bahnbetriebszwecken gedient haben, können sie nur für den Transport von Zwangsarbeitern verlegt worden sein.
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Marienfelde. Nach dem noch beim Bezirksamt schmorenden Einwohnerantrag (die Berliner Woche berichtete) bringt die CDU-Fraktion am 21. August einen Antrag in die BVV ein, der den Fall Säntisstraße in eine weitere Dimension katapultieren dürfte: Jetzt wird die einstige Nutzung des heutigen Kleingartengeländes als Zwangsarbeitslager thematisiert.

Wie mehrfach berichtet, plant ein privater Investor ein großes Logistikzentrum auf dem Gelände der Laubenkolonie an der Säntisstraße. Dem stehen protestierende Kleingärtner und Anwohner entgegen. Deshalb beschloss die BVV schon 2010 die Kolonie dauerhaft zu sichern. Dieser Beschluss blieb aber aus bislang nicht geklärten Gründen drei Jahre lang im Rathaus Schöneberg liegen und wurde erst Anfang dieses Jahres, nachdem die ersten Bauvorbescheide schon erteilt waren, von der für Stadtentwicklung im Bezirk zuständigen Stadträtin Sibyll Klotz (Grüne) an den Senat weitergereicht. Da hatten die Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück längst begonnen. Bislang hat niemand bestritten, dass es sich bei dem Marienfelder Koloniegelände um ehemaliges Bahneigentum handelt. Bestritten wurde und wird jedoch, dass das Gelände jemals als Bahnbetriebsgelände genutzt wurde - obwohl die Laubenpieper inzwischen mehrere Hundert Meter Gleise samt Weichen ausgebuddelt und dokumentiert haben. Bestritten werden kann hingegen kaum, dass sich auf dem Gelände in der Nazi-Zeit ein Zwangsarbeitslager befand. Die CDU fordert nun das Bezirksamt auf, sich beim Senat, dem Eisenbahnbundesamt und der Deutschen Bahn AG dafür einzusetzen, "dass unter Berücksichtigung der jetzigen Nutzung in der Säntisstraße 95-125 ein Informations- und Gedenkort in Erinnerung an die ehemaligen Zwangsarbeiterlager der Deutschen Reichsbahn an der Marienfelder Säntisstraße auf deren historischem Standort geschaffen wird. Hierzu sind noch vorhandene historische Zeugnisse dieser Zeit dauerhaft zu sichern; dazu gehören vor allem Teile der Gleisanlagen, die das Zwangsarbeiterlager von der Trasse der Dresdner Bahn aus erschlossen hatten".

Neben mehreren historisch belegten Orten, die an die dunkle Vergangenheit der NS-Diktatur und die damit verbundenen Schicksale erinnern, will die CDU nun auch die Marienfelder Gartenkolonie zum Gedenkort erklären. "Schließlich befinden sich dort noch historische Anlagen, die von der Vergangenheit als Zwangsarbeiterlager zeugen. Dies gilt es zu sichern und für die Bevölkerung als Ort des Erinnerns und Gedenkens erlebbar zu machen", so CDU-Fraktionschef Ralf Olschewski zur Berliner Woche. Andreas Schwager vom Verein "Grüner Säntispark" und Sprecher der Laubenpieper sagt: "Mit einem Gedenkort in der Kolonie hätten wir überhaupt kein Problem. Wir sind auch jetzt schon eine öffentliche Anlage, durch die jeder spazieren kann."

Die in der Süd-Allianz zusammengeschlossen Gegner des Logistikzentrums (Anwohner, Grundeigentümer, Kleingärtner, Umweltvereine, die auch den Einwohnerantrag eingebracht haben), wollen am 22. August um 19 Uhr über den aktuellen Stand der Dinge in der Kirchengemeinde Mariendorf Süd, Mariendorfer Damm 342/Ecke Säntisstraße, informieren. Insider prognostizieren, dass der Antrag zunächst in einen Ausschuss überwiesen wird.

Gedenkort oder Nazikeule

Ein Kommentar von Horst-Dieter Keitel

Eigentlich fürchtete ich schon, die Luft sei raus, die Laubenpieper würden über kurz oder lang plattgemacht und das Logistikzentrum wird gebaut. Jetzt ist das vielleicht gar nicht mehr so sicher. Und das mache ich weniger mit dem aus meiner Sicht wirklich cleveren CDU-Antrag, sondern vielmehr an dem neuen SPD-Fraktionsvorsitzenden Jan Rauchfuß fest. Er hat sich eindeutig pro Kleingärten positioniert, ist standhaft geblieben und war kurz vor der Sommerpause mit zwei weiteren SPD-Bezirksverordneten sogar aus der Fraktionsdisziplin ausgeschert und hatte dem Einwohnerantrag zwecks Erhalt der Kolonie somit - sehr zum Missfallen anderer Genossen und vor allem der Grünen - die erforderliche Mehrheit verschafft. Nun bin ich mächtig gespannt, sollte sich Rauchfuß nicht weiter durchsetzen können, mit welcher Begründung der Gedenkort-Antrag gegebenenfalls abgelehnt werden könnte, ohne der CDU die Möglichkeit zu eröffnen, sozusagen die Nazikeule auszupacken.

Horst-Dieter Keitel / hdk
Autor:

Horst-Dieter Keitel aus Tempelhof

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