Archäologen legen auf dem Tacheles-Areal Reste des Synagogen-Tempels frei

Archäologen haben auf dem früheren Parkplatz an der Johannisstraße die Keller der Synagoge der Jüdischen Reformgemeinde freigelegt. Nach Dokumentation der Funde werden sie für eine Tiefgarage eingeebnet. | Foto: Dirk Jericho
2Bilder
  • Archäologen haben auf dem früheren Parkplatz an der Johannisstraße die Keller der Synagoge der Jüdischen Reformgemeinde freigelegt. Nach Dokumentation der Funde werden sie für eine Tiefgarage eingeebnet.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Mitte. Die Grabungsarbeiten auf dem Tacheles-Areal zwischen Oranienburger Straße und Johannisstraße sind beendet. Archäologen haben die gut erhaltenen Kellergeschosse der historisch bedeutsamen Synagoge der Jüdischen Reformgemeinde freigelegt.

„Das ist ein sehr bedeutsamer Fund“, sagt Karin Wagner, Leiterin für Gartendenkmalpflege und Archäologie beim Landesdenkmalamt. Auf der jahrzehntelang als Parkplatz genutzten Brache, auf der in den kommenden Jahren ein Wohn- und Geschäftsviertel aus dem Boden gestampft wird, wurde jetzt der komplett erhaltene Keller des Hauptraums der Synagoge freigelegt. Auch die östlichen Keller liegen noch im Boden. Nur die Keller der westlichen Seitenräume sind durch eine Fernwärmeleitung fast vollständig zerstört.

Synagoge als 3D-Modell

Wie Karin Wagner sagt, haben die Experten die Synagogenreste per Laser gescannt. Mit den Daten soll die Synagoge als dreidimensionales Modell rekonstruiert werden. Der Investor PWR Development wurde nach Bürgerprotesten erst kurz vor Beginn der Erdarbeiten vom Landesdenkmalamt zur „archäologischen Baubegleitung“ verpflichtet. Er hat nur eine Dokumentationspflicht. Das heißt, die ausgegrabenen Reste werden lediglich kartografiert und fotografiert und können dann weg. Es besteht Baurecht für eine zweigeschossige Tiefgarage. „Die Möglichkeit, die Fundamente freizulegen und gegebenenfalls von Bebauung freizuhalten, war gegeben“, heißt es aus der Senatsbauverwaltung. Das hätte aber alles vor der Erteilung der Baugenehmigung für das Megaprojekt Tacheles-Quartier geschehen müssen.

Erinnerung an Reformgemeinde

Laut Wagner wird jetzt mit dem Bauherren verhandelt, in einer geeigneten Form an die Synagoge der Jüdischen Reformgemeinde zu erinnern. Der „Tempel“ an der Johannisstraße 16 ist einer der ersten Synagogenneubauten Mitte des 19. Jahrhunderts in Berlin und die erste Synagoge der 1846 gegründeten „Gesellschaft für Reform im Judentum“. Der Zentralbau über kreuzförmigem Grundriss wurde 1852 vom Architekten Gustav Stier errichtet. Die Synagoge stand zwar etwas von der Straße zurückgesetzt, war aber durch die repräsentative Fassade und den hohen Turm gut sichtbar. Neu in diesem „Tempel“ war unter anderem der Gottesdienst am Sonntag, die stärkere Verwendung der deutschen Sprache oder der Verzicht auf getrennte Sitzordnung sowie Kopfbedeckung. Seit 2006 erinnert eine Gedenktafel an der Johannisstraße mit Text und Fotos an das frühere Gotteshaus, das in der Pogromnacht 1938 von SA-Leuten verwüstet, wieder instandgesetzt und von 1940 bis 1942 als Ersatz für die geschlossene Neue Synagoge in der Oranienburger Straße genutzt wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde der „Tempel“ zerstört, die Ruinen später abgetragen. 60 Jahre erinnerte nichts an das Gotteshaus. Die Gedenktafel hängt derzeit provisorisch am Bauzaun. Die Stiftung Neue Synagoge möchte „eine würdevollere Kennzeichnung“ als bisher. Denkbar sei, an einer Multimediastation auf dem Gelände 3D-Simulationen der Synagoge zu zeigen, so Karin Wagner. „Wir werden uns dafür einsetzen, gegebenenfalls architektur- oder ritualabbildende Baureste als Block zu bergen, um sie nach Abschluss der Bauarbeiten vor Ort wiederaufzustellen und mit einer Information über den Ort zu versehen“, heißt es aus dem Landesdenkmalamt. Entschieden ist noch nichts. DJ

Archäologen haben auf dem früheren Parkplatz an der Johannisstraße die Keller der Synagoge der Jüdischen Reformgemeinde freigelegt. Nach Dokumentation der Funde werden sie für eine Tiefgarage eingeebnet. | Foto: Dirk Jericho
Archäologen haben auf dem früheren Parkplatz an der Johannisstraße die Keller der Synagoge der Jüdischen Reformgemeinde freigelegt. Nach Dokumentation der Funde werden sie für eine Tiefgarage eingeebnet. | Foto: Dirk Jericho
Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 174× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 126× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 184× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.519× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.