BVV beschließt umstrittene Straßenumbenennung im Afrikanischen Viertel

Der Nachtigalplatz soll in Bell-Platz umbenannt werden. | Foto: Dirk Jericho
  • Der Nachtigalplatz soll in Bell-Platz umbenannt werden.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Nach jahrelangen Diskussionen wird die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 19. April mit den Stimmen der SPD, Grünen und Linken die Umbenennung von drei Straßen im Afrikanischen Viertel beschließen. Der BVV-Kulturausschuss hat sich am 11. April nach ewigem Gezerre auf vier Namen geeinigt, die an der Lüderitzstraße, am Nachtigalplatz und an der Petersallee aufs Schild kommen sollen.

Eine geheim tagende Jury, intransparente Auswahl, abgebrochenes Umbenennungsverfahren, Neustart mit gutachterlichen Empfehlungen und immer wieder neuen Wendungen wie die Vergabe von zwei Namen durch Teilung der Petersallee – das Umbenennungstheater für drei Straßen im Afrikanischen Viertel, die wegen ihres kolonialen Zusammenhanges verschwinden sollen, hat ein vorläufiges Ende. Grüne, SPD und Linke einigten sich darauf, dass die Lüderitzstraße in Cornelius-Fredericks-Straße, der Nachtigalplatz in Bell-Platz, die Petersallee von der Müllerstraße bis zum Nachtigalplatz (später Bell-Platz) in Anna-Mungunda-Allee und vom Nachtigalplatz bis zur Windhuker Straße in Maji-Maji-Allee umbenannt werden. CDU, FDP und AfD stimmten gegen den Antrag. Die FDP wollte wie die Piraten, die im BVV-Ausschuss als Gruppe nicht stimmberechtigt sind, eine Jacob-Marengo-Allee.

„Mit den vorgeschlagenen Benennungen werden sowohl Herero, Nama, Duala im Südwesten des Kontinents, als auch mit Maji-Maji der Widerstand im heutigen Tansania, Burundi und Ruanda (Teile des damaligen Deutsch-Ostfrika) geehrt“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung von SPD und Grünen. „Dadurch wird endlich mit der Ehrung von Personen Schluss gemacht, die eng mit den antidemokratischen und rassistischen Verbrechen der deutschen Kolonialgeschichte verbunden sind“, so Laura Neugebauer von den Grünen.

Kämpfer für die Unabhängigkeit werden geehrt

Anna Mungunda (1932-1959) oder Mununga oder Mugunda (in den BVV-Beschlüssen gibt es immer andere Versionen der Schreibweise) war Herero und die erste Frau in Namibia, welche die Unabhängigkeitsbewegung unterstützte. Während einer Demonstration gegen die Zwangsumsiedlung wurde Mungunda am 9. Dezember 1959 von der Polizei erschossen. Der 9. Dezember ist heute namibischer Frauentag.

Cornelius Frederiks (gestorben 1907) war einer der Anführer des Widerstandskrieges der Nama gegen die deutsche Kolonialherrschaft im damaligen Deutsch-Südwestafrika. Der Guerillakämpfer starb in Haft. Sein Kopf soll nach seinem Tod zu „Forschungszwecken“ nach Deutschland gebracht worden sein.

Der Bell-Platz ehrt Emily Douala (1881-1936) und Rudolf Douala Manga Bell (1873-1914), König der Douala im heutigen Kamerun. Er wurde am 8. August 1914 exekutiert und ist heute Nationalheld Kameruns.

Maji Maji bezeichnet den Kampf des antikolonialen Widerstandes (1905-1907) im damaligen Deutsch-Ostafrika. Der Begriff steht für „heiliges Wasser“. Mit dem Schlachtruf glaubten die schwarzen Aufständischen, die Kugeln der feindlichen Soldaten abzulenken.

Die Initiative Pro Afrikanisches Viertel (IPAV) kündigte massiven Widerstand gegen die Umbenennungen an. „Wir ermutigen Anwohner und Geschäftsleute zu klagen“, so Sprecherin Karina Filusch. Die Grünen-Stadträtin Sabine Weißler bezeichnet sie als Schilderstürmerin, die sich „mit jedem ihrer ideologisch bestimmten Winkelzüge in den zurückliegenden Jahren als nachhaltig unfähig erwiesen hat“.

Umbenennung der Petersallee rechtlich unzulässig?

Brisant ist vor allem die nun beschlossene Umbenennung der Petersallee. Denn sie ehrt seit 1986 den NS-Widerstandskämpfer und CDU-Politiker Hans Peters. Die ursprünglich 1939 nach dem Kolonialpolitiker und Unternehmer Carl Peters benannte Straße wurde seinerzeit auf Drängen der Anwohner auf BVV-Beschluss umgewidmet. Ein bereits vor einem Jahr vom bezirklichen Rechtsamt angefertigtes Gutachten beschreibt „die Umbenennung und Aberkennung der 1986  beschlossenen Ehrung für den verdienten NS-Gegner für rechtlich unzulässig“, sagt Johann Ganz von der IPAV. Weißler hat das Gutachten bisher unter Verschluss gelassen. Erst nach Intervention der Berliner Datenschutzbeauftragten durfte die IPAV jetzt Einsicht in das Gutachten nehmen.

Weißler steht wie auch Susanne Fischer von der SPD auf dem Standpunkt, dass die Petersallee 1986 nie offiziell umbenannt wurde. Der damalige BVV-Beschluss sei keine juristisch wirksame Umwidmung. Verkehrsstaatssekretär und Parteikollege Jens-Holger Kirchner bestätige Weißler im September in einem Brief an die „liebe Sabine“, dass damals „kein formelles Umbennungsverfahren durchgeführt wurde und der Austausch des Erläuterungssschildes in (Hans)Petersallee gegen die Vorschriften verstieß“.

Johann Ganz nennt den Kirchner-Brief eine „von der Stadträtin gefälligkeitshalber beim Staatssekretär bestellte positive Bewertung ihres Vorhabens“ und vermutet, dass sie Kirchner nichts von dem anderslautenden Rechtsamtgutachten erzählt hat. Sabine Weißler habe die Öffentlichkeit „seit Monaten trickreich abgelenkt und damit hintergangen“.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 104× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 90× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 173× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 566× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.