Ulrike Kostka vom Caritasverband möchte Flüchtlingen eine Perspektive geben

Auch der engagierteste Mensch braucht einen Ausgleich. Prof. Dr. Ulrike Kostka hat dafür zwei Islandpferde, ihre beiden "Anti-Burnout-Beauftragten". | Foto: Caritas
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Berlin. Prof. Dr. Ulrike Kostka ist Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin und sehr in der Flüchtlingspolitik engagiert. Unsere Reporterin Anett Baron sprach mit ihr über die Situation in Berlin.

Frau Kostka, Sie haben sich für die Flüchtlinge auf dem Oranienplatz eingesetzt. Nur drei von über 500 können bleiben. Besteht noch Kontakt?

Ulrike Kostka: Ja, wir begleiten noch Einzelne in ihren Verfahren. Insgesamt ist es bemerkenswert, wie wenige einen Aufenthaltsstatus bekommen haben, wobei bei vielen andere Bundesländer oder Italien für ihr Asylverfahren zuständig sind.

Sie fordern von allen politischen Akteuren Gestaltungswillen. Sind Verbesserungen in der Integrations- und Flüchtlingspolitik spürbar?

Ulrike Kostka: Ich sehe Fortschritte. Die Flüchtlingszahlen steigen und man kann sich dem Thema nicht verschließen. Die Flüchtlinge und Asylbewerber werden nicht mehr nur als Belastung gesehen, sondern man schaut auf ihre Ressourcen und Potenziale.

Wo sehen Sie in Berlin noch weiteren Handlungsbedarf?

Ulrike Kostka: Bisher handeln wir immer ad hoc. Wir brauchen aber mittel- und langfristige Strategien. Das schließt die Integration, die gesundheitliche Versorgung und auch berufliche Perspektiven mit ein. Möglichst schnell sollten wir für die Zukunft planen, denn alle stoßen derzeit an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Wie können die Menschen hier Fuß fassen? Oder auch, wie können sie eine Perspektive finden, wenn sie keinen Asylstatus bekommen? Gerade die Rückkehrberatung halte ich für ein zentrales Thema.

Findet Ihr Engagement denn überall ungeteilte Zustimmung?

Ulrike Kostka: Wir sind als Caritas in der Flüchtlingspolitik sehr aktiv und nicht alle teilen unsere Positionen. Wir stehen einer reinen Abschottungspolitik kritisch gegenüber und halten sie nicht für wegweisend. Die Menschen kommen trotzdem, weil ihr Leben bedroht ist oder sie arm sind. Wir müssen auch die Situation in den Herkunftsländern verbessern. Einfach die Zäune höher zu ziehen, ist der falsche Weg.

Aufgerüttelt durch die Pegida-Demonstrationen fordert die Politik eine Willkommenskultur. Viele Menschen helfen bereits, braucht es da noch solcher Appelle?

Ulrike Kostka: Ja! Auch wenn das wie ein Widerspruch erscheint. Denn die Engagementbereitschaft ist vielseitig und überwältigend. Dagegen ist Pegida ein hoch gespieltes Phänomen, das oft nichts mit Flüchtlingen zu tun hat. Ab und zu müssen wir Freiwillige sogar vertrösten, weil erst mal der Bedarf geklärt werden muss.

Wer sollte diese Steuerung übernehmen?

Ulrike Kostka: Man muss immer genau vor Ort schauen, wer das machen kann. Eine zentrale Steuerung wäre kontraproduktiv. Wir merken aber, dass die Freiwilligen sich Beratung wünschen, weil viele Fragen offen sind. Auch in den Unterkünften selbst ist oftmals eine Überforderung zu spüren, weil eine richtige Koordination fehlt. Wir haben deswegen in unseren Unterkünften Ehrenamtskoordinatoren eingesetzt.

Um zu helfen, hat die Caritas die Beratungsstelle für Flüchtlinge und Ehrenamtliche eingerichtet. Was passiert dort?

Ulrike Kostka: Wir beraten dort Einzelne, aber auch Gemeinden, Unternehmen und Vereine. Gleichzeitig haben wir eine Lotsenfunktion und zeigen, wo Unterstützungsbedarf besteht. In Zukunft bieten wir Fortbildungen für Ehrenamtliche an. Begleitung von Flüchtlingen auf Ämter ist dabei ein Punkt.

Was benötigen die Flüchtlinge noch?

Ulrike Kostka: Die psychologische Betreuung ist wichtig. Viele Flüchtlinge sind schwer traumatisiert. Außerdem benötigen sie Beschäftigung. Nichtstun ist nur schwer auszuhalten. Früher führten sie ihr normales Leben wie wir. Jetzt sitzen sie in einer Unterkunft. Hier brauchen wir kreative und unbürokratische Lösungen.

Wie sähe die Situation der Flüchtlinge ohne ehrenamtliches Engagement aus?

Ulrike Kostka: Ohne das Ehrenamt würde das System kollabieren. Das kann der Staat gar nicht alleine leisten. Menschen brauchen Menschen, ob einfach für ein Gespräch oder um sich zurechtzufinden.

Wird dieses Engagement ausreichend gewürdigt?

Ulrike Kostka: Dafür besteht eine hohe Sensibilität. Anerkennung ist wichtig, besonders den Freiwilligen gegenüber, die einen langen Atem haben. Langfristig Menschen zu begleiten, kann ein hartes Brot sein. Aber aus einer Begegnung oder punktuellem Engagement erwächst oft mehr!

Anett Baron / AB
Autor:

Anett Baron aus Mitte

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