Moabit. „Es funktioniert bestimmt genauso schlecht wie vorher. Aber man sieht nichts mehr.“ Simone Zaugg und „Pfelder“ wohnen in direkter Nachbarschaft zum Lageso. Die Zustände im vorigen Jahr, die Zaugg und Pfelder tagtäglich beobachten konnten, haben die beiden Kunstschaffenden und Kuratoren zu einer breit angelegten Ausstellungsreihe zu Migration und Flucht angeregt.
Im Rahmen von „Sans papier – Das Leben ist eine Reise“ präsentieren diesmal die drei Künstler Lerato Shadi, Anri Sala und Khaled Barakeh Arbeiten zum Thema. Lerato Shadi leuchtet mit Videoinszenierungen, die sie am hellichten Tag mit sich selbst als Protagonistin gemacht hat, metaphernreich die dunklen Seiten ihrer südafrikanischen Heimat aus. Rasch packt den Betrachter ein Unwohlsein, wenn Shadi in Großaufnahme Erde in sich hineinstopft – sie ernährt die Menschen offensichtlich nicht – oder sich einen roten Faden dick um die Zunge wickelt und wieder ausspeit.
„Ghostgames“ hat der Albaner Anri Sala seinen Videoclip betitelt. Zwei Frauen, von denen man nur die Füße sieht, stehen an einem nächtlichen Strand und scheuchen mit Taschenlampen lichtscheue Geisterkrabben hin und her. „Die Bilder der vom Lichtstrahl getriebenen Krabben am nächtlichen Sandstrand erinnern uns an Bilder von gestrandeten, im Lichtkegel der Küstenwache stehenden Menschen an griechischen Stränden oder an der Kanalküste in Calais“, sagen Zaugg und Pfelder über Salas Arbeit.
Gleich beim Betreten der Ausstellungsräume im „Kurt-Kurt“, dem künstlerischen Stadtlabor im Geburtshaus von Kurt Tucholsky in der Lübecker Straße 13, begegnen dem Besucher Khaled Barakehs „Transparencies“: Es sind Fundbilder im Geist von Marcel Duchamps „Ready-Mades“, die der syrische Künstler gesammelt hat, Fotos aus Zeitungen, die aneinandergelegt und von vorne oder hinten beleuchtet, völlig neue, unheimliche oder geheimnisvolle Bilder erzeugen.
Das Kunstprojekt „Sans papiers“ – gemeint sind Menschen ohne Status und ohne Papiere – haben Zaugg und Pfelder auf zwei Jahre angelegt. Es besteht aus drei Hauptteilen und zahlreichen Teilveranstaltungen, Vorträgen, Diskussionen, Lesungen und vielem mehr im Kurt-Kurt, in Flüchtlingsunterkünften oder im öffentlichen Raum.
Im ersten Teil, zu dem die aktuelle Ausstellung gehört, präsentieren die beiden Kuratoren seit Ende Mai Künstlerinnen und Künstler, die in ihrem Leben Erfahrungen mit Migration und Flucht gesammelt haben, in Berlin aber mittlerweile heimisch geworden sind und sich in der hiesigen Kunstszene etabliert haben oder sich in ihrem Werk mit Identität, Heimat und Lebensformen auseinandersetzen.
Die Finissage der Ausstellung ist am 5. November um 17 Uhr. Es liest der Autor Daniel Khafif. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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