Shimon Lev besuchte früheres Wohnhaus seiner Familie

Shimon Lev (Mitte) ist derzeit zu Besuch bei heutigen Bewohnern des Hauses, Astrid Vehstedt, Ursula Vogel, Antje Both und Michael Link. | Foto: Liptau
  • Shimon Lev (Mitte) ist derzeit zu Besuch bei heutigen Bewohnern des Hauses, Astrid Vehstedt, Ursula Vogel, Antje Both und Michael Link.
  • Foto: Liptau
  • hochgeladen von Ralf Liptau

Moabit. Die Bewohner der Thomasiusstraße wollen Stolpersteine für alle bekannten jüdischen Opfer in ihrer Nachbarschaft verlegen lassen und recherchieren derzeit die Lebensläufe der Ermordeten. Der Sohn eines Überlebenden kam nun aus Israel zu Besuch.

Shimon Lev hat seine Großeltern und seine Tante nie kennengelernt. Sie sind ermordet worden, bevor er in Israel geboren wurde. Wie es sich anfühlt, jetzt im Treppenhaus an ihrer ehemaligen Berliner Wohnungstür vorbeizulaufen, kann er nicht sagen. "Das ist alles zu neu. Ich muss das erst einmal einige Tage sacken lassen", sagt er auf Englisch.

Shimon Lev ist im Moment in der Thomasiusstraße 11 bei Astrid Vehsted zu Gast. Sie ist eine der Nachbarn, die die Lebensläufe von 103 ehemaligen Bewohnern der Thomasiusstraße recherchieren. Im Sommer wollen sie vom Kölner Künstler Gunther Demnig Stolpersteine für alle deportierten jüdischen Bewohner ihrer Straße verlegen lassen. "Wir wollen damit das ganze Ausmaß der Verfolgung in unserer Straße zeigen", erklärt Oliver Geiger, einer der Initiatoren.

Im Rahmen der Recherche ist Astrid Vehstedt über die Zentrale Datenbank der Namen der Holocaust-Opfer in Yad Vashem auf die Familie Löw gestoßen und hat versucht, Kontakt zu Hinterbliebenen herzustellen. "Irgendwann kam dann die E-Mail von Shimon aus Israel", erinnert sie sich. Levs Vater Willy ist der einzige Überlebende der Familie Löw. Er konnte mit einem Kindertransport rechtzeitig nach England fliehen, war dann in Kanada, anschließend in den USA. Nach dem Krieg ging er nach Israel und starb 2005. Seine Eltern und seine beiden Schwestern waren zu dem Zeitpunkt schon tot. 1941 sind sie aus der Thomasiusstraße 11 nach Auschwitz deportiert worden und dort ermordet worden.

Shimon Lev schickt Briefe nach Berlin, die die Familie Löw noch vor ihrer Deportation dem geflohenen Sohn nach England und Kanada gesendet hatten. "Es ist verrückt, dass sie jetzt, nach über 70 Jahren, wieder in der Thomasiusstraße gelandet sind", sagt Vehstedt. Gemeinsam mit anderen Nachbarn haben sie die Briefe nun vorgelesen und sich dabei von Lev mit derVideokamera aufnehmen lassen. Lev arbeitet als Künstler in Israel unter anderem die Geschichte seiner Familie auf. Er nennt das "meinen persönlichen Holocaust". Aus den Aufnahmen möchte er vielleicht einen Film machen. Die heutigen Bewohner der Thomasiusstraße wollen ihr Projekt ebenfalls weiter voranbringen. Im Sommer werden nun erst einmal die Steine verlegt, dann wollen die Initiatoren weitersehen. Astrid Vehsted, die als Schriftstellerin arbeitet, kann sich vorstellen, ein Buch über die ehemaligen Nachbarn zu machen. Mit den Briefen der Familie Löw hätte sie zumindest ausreichend Quellenmaterial.

Ralf Liptau / flip
Autor:

Ralf Liptau aus Tiergarten

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 179× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 161× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 223× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 602× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.