Bezirk Neukölln: Über Stolpersteine, Fixer, Flüchtlinge und den umstrittensten Spielplatz

Im Juli wird der Anita-Berber-Park an der Hermannstraße eröffnet. Mit dabei zwei Schauspielerinnen, die sich im Stile der namensgebenden Tänzerin ausstaffiert haben. | Foto: Schilp
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  • Im Juli wird der Anita-Berber-Park an der Hermannstraße eröffnet. Mit dabei zwei Schauspielerinnen, die sich im Stile der namensgebenden Tänzerin ausstaffiert haben.
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In Neukölln gab es in diesem Jahr Grund zum Feiern: Etliche Bauprojekte gingen an den Start, wurden fertiggestellt oder sind in Planung. Andererseits steigen die Mieten. Selbst soziale Einrichtungen müssen sich vor Verdrängung fürchten. Im Bezirksamt hat es diese bereits gegeben. Die Berliner Woche wirft einen Blick zurück.

Januar

In der Hufeisensiedlung brennt das Auto der SPD-Politikerin Mirjam Blumenthal. Die Polizei geht von einer politisch motivierten Tat aus. Der Anschlag reiht sich in eine Serie ähnlicher Fälle in Britz und Rudow ein.

Das Bezirksamt ist komplett. Bei der BVV am 25. Januar wird Bernward Eberenz von der AfD als Stadtrat für Natur und Umwelt gewählt. Linke und die Zählgemeinschaft von Grünen und SPD lehnen jedoch ausdrücklich jede Zusammenarbeit mit der Partei ab.

Die Bezirksverordneten beschließen mehrheitlich, die Fläche an der Ecke Rudower Straße und Laubsängerweg für einen Gedenkort für Burak Bektas zur Verfügung zu stellen. Er war am 5. April 2012 von einem Unbekannten auf offener Straße erschossen worden.

Februar

Im berlinweiten Vergleich steigen die Preise bei Neuvermietungen in Neukölln am stärksten an. Spitzenreiter ist der Richardkiez mit einer Steigerung um 32,4 Prozent. Die Quadratmetermiete kalt liegt nun bei 11,92 Euro. Das Quartier gehört zu den zehn teuersten der Hauptstadt.

Die letzten Flüchtlinge verlassen die Sporthallen am Efeuweg und am Buckower Damm. Damit sind alle Neuköllner Hallen freigezogen. Die Flüchtlinge finden Unterkunft in den neuen Tempohomes an der Gerlinger Straße, die Platz für 504 Menschen bieten.

März

Die Britzer Mühle geht in die neue Saison. Verantwortlich für den Betrieb ist der neue Verein „Britzer Müllerei“. Zuvor hatte es Differenzen innerhalb des Britzer Müllervereins gegeben, der fast drei Jahrzehnte die Regie hatte.

Gut zehn Jahre nach dem Brandbrief, in dem Lehrer der Rütli-Schule alltäglichen Vandalismus und Gewaltbereitschaft anprangerten, wird Richtfest des Erweiterungsbaus der Gemeinschaftsschule gefeiert. Er ist ein Teil einer ganzen Bildungslandschaft, dem Campus Rütli, der hier Gestalt annimmt.

April

Bei einer Bürgerversammlung geht es um die Drogenszene rund um den S- und U-Bahnhof Neukölln. Sozialarbeiter sind seit Monaten unterwegs, sprechen Fixer an, sammeln Spritzen ein. In Planung sind Behälter für gebrauchte Spritzen, ein Drogenberatungs- und ein Konsummobil, die ab Juni an der Ecke Karl-Marx-Straße Ecke Kirchhofstraße stehen sollen. Die Polizei hat ihre Präsenz verstärkt.

Mai

Das „Haus der Bildung“ an der Boddinstraße 34 lädt zur Feier: Für 300 000 Euro sind der Vorplatz vergrößert, das Foyer neugestaltet und behindertengerechte Sanitäranlagen geschaffen worden. Im Gebäude sind unter anderem die Volkshochschule, die Musikschule und das Sport- und Schulamt untergebracht. Täglich kommen im Schnitt 1000 Besucher.

Juni

Zum ersten Mal hat der Bezirk sein Vorkaufsrecht in einem Milieuschutzgebiet wahrgenommen. Das Haus an der Liberdastraße 10 geht an die städtische Wohnbauten-Gesellschaft „Stadt und Land“ und nicht an einen Privateigentümer.

An der Ecke Hermann- und Kienitzer Straße überholt ein 55-jähriger Fahrradfahrer einen Porsche, der ordnungswidrig vor der Ampel parkt. Der Fahrer öffnet die Tür, der Radler knallt dagegen. Einen Tag später stirbt er. Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kündigt kurz darauf an, ein Verkehrsgutachten für die Hermannstraße erstellen zu lassen. Die Unfallstelle wird zügig sicherer gestaltet.

Die Architekten Hans Wehrhahn und Stephan Niewolik stellen im Stadtplanungsausschuss ihre Ideen für den ehemaligen Neuköllner Güterbahnhof vor. Zwischen Hertabrücke und Karl-Marx-Straße soll ein Gebäudekomplex mit bis zu 700 Wohnungen entstehen – flankiert von zwei Türmen.

Der linke Kiezladen „Friedel 54“ wird trotz massiver Proteste von der Polizei geräumt. Der Hauseigentümer hatte dem Projekt zum 31. Mai gekündigt.

Juli

Bernward Eberenz, Stadtrat für Umwelt und Natur, tritt aus der AfD aus. Die Nominierung von Andreas Wild zum Direktkandidaten bei der Bundestagswahl sei nicht mit seinen politischen Überzeugungen vereinbar, teilt er mit. Der nun Parteilose bleibt im Amt.

Mit 25 Jahren Verspätung wird der erste Spatenstich für ein neues Gebäude des Buckower Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums an der Christoph-Ruden-Straße getan. Es ist das erste von vier Berliner Pilotprojekten für energieeffizientes und nachhaltiges Bauen von Schulen.

Der ehemalige St.-Thomas-Friedhof an der Hermannstraße wird offiziell als öffentliche Grünfläche freigegeben. Der neue Park trägt den Namen der legendären Tänzerin Anita Berber, die hier 1928, noch keine 30 Jahre alt, begraben wurde.

Bei einem Besuch im Vivantes Klinikum kündigt Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) an, dass das Land Berlin 115 Millionen Euro für Ausbau und Sanierung des Hauses lockermachen will. Vor allem die überlaufene Rettungsstelle muss dringend vergrößert werden.

Erster Spatenstich hinter der Alten Dorfschule Rudow: Der Bau der neuen Seniorenfreizeitstätte beginnt. Das alte Domizil, Alt-Rudow 45, war marode und musste Anfang 2016 geschlossen werden.

August

Nach Streitigkeiten zwischen Jugendlichen im Columbiabad entscheiden sich die Berliner Bäderbetriebe dafür, zu strengeren Einlasskontrollen zurückzukehren.

Der Bezirk beschließt seinen Haushalt 2018/19. Wie schon in den vergangenen Jahren werden rund 80 Prozent der Investitionsmittel in Schulen fließen. Weitere Schwerpunkte sind die Kinder- und Jugendförderung und die Unterhaltung von öffentlichen Grünanlagen und Straßen.

September

Bürgermeisterin Franziska Giffey teilt den Bezirksverordneten mit: Auf dem Lilienthalfriedhof am Südstern sollen rund 16 000 muslimische Begräbnisstätten geschaffen werden, die gen Mekka weisen. Auf dem Friedhof am Columbiadamm ist kein Platz mehr, für eine Erweiterung auf das Tempelhofer Feld fehlt die rechtliche Grundlage.

Bei der Bundestagswahl geben 22,3 Prozent der Neuköllner der CDU ihre Zweitstimme, 19,5 Prozent der SPD. Doch die meisten Erststimmen bekommt der SPD-Mann Fritz Felgentreu. Er vertritt den Bezirk weiterhin im Bundestag, die CDU-Abgeordnete Christina Schwarzer bleibt ohne Mandat.

Oktober

Das Ordnungsamt schließt und versiegelt das „Fantastic Foxhole Hostel“, Weserstraße 207. Trotz fehlender Genehmigungen hatte der Eigentümer das Hostel illegal weiterbetrieben.

Die Jury hat sich für das Architekturbüro „rha reiche haase“ entschieden: Sein Entwurf soll als Leitfaden für die Bebauung der Buckower Felder dienen. Ab 2020 will die landeseigene „Stadt und Land“ an der Gerlinger Straße rund 900 Ein- bis Vierzimmerwohnungen errichten.

November

Die „Zwicke“ eröffnet nach einer Grundsanierung wieder. Das Kinder- und Jugendhaus am Zwickauer Damm ist berlinweit das älteste seiner Art. In diesem Jahr ist es 70 Jahre alt geworden.

In Britz und anderen Ortsteilen werden 16 Stolpersteine gestohlen. Die Spendenbereitschaft der Neuköllner ist groß. Schon wenige Tage später steht fest: Sie können ersetzt werden. Dieses Mal sollen sie in Beton gegossen werden.

Jugendliche und Erwachsene der Weißen Siedlung protestieren: Die Treffpunkte „Sonnenblick“ und „Sunshine Inn“ haben die Kündigung erhalten. Die Suche nach einem Ersatzstandort läuft auf vollen Touren.

Die neue Arbeitsgemeinschaft „Kinder- und Jugendkriminalität“ wird der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Konzept: Künftig arbeiten Jugendamt, Schule, Polizei, Staatsanwalt und Gericht zusammen und tauschen Informationen aus, um junge Straftäter wieder in die Spur zu bringen.

Jan-Christopher Rämer, SPD-Stadtrat für Schule, Kultur und Sport, tritt von seinem Amt zurück. Drei Tage zuvor war er schlafend und mit zu viel Alkohol im Blut in seinem parkenden, aber laufenden Auto gefunden worden

Dezember

Am Nikolaustag wird Neuköllns umstrittenster Spielplatz an der Walterstraße eröffnet. Stein des Anstoßes ist eine Mondsichel auf der Spitze eines Kletterturms. Einige sehen in ihr ein Zeichen einer „Islamisierung“.

Für „Sonnenblick“ und „Sunshine Inn“ ist eine vorläufige Lösung gefunden: Sie können noch ein paar Monate lang in ihrem Gebäude bleiben. Ausweichquartiere sind in Sicht. Langfristig stellt Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) den Neubau eines Nachbarschaftsheims in Aussicht.

Auch der von Kündigung bedrohte Mädchentreff „Schilleria“ an der Weisestraße ist gerettet. Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) und der Gebäudeeigentümer haben sich auf eine Miete geeinigt. Über die Höhe wird Stillschweigen vereinbart.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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