Dr. Fritz Felgentreu ist für Wohnungen am Rand des Tempelhofer Feldes

Der Neuköllner Bundestagsabgeordnete Dr. Fritz Felgentreu (SPD) spricht sich für die Randbebauung des Tempelhofer Feldes aus. | Foto: Sylvia Baumeister
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Neukölln. Am 25. Mai stimmen die Berliner im Volksentscheid für oder gegen eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes. In zwei Interviews mit Berliner-Woche-Reporterin Sylvia Baumeister legen Befürworter und Gegner des Vorhabens ihre Argumente dar. Diese Woche kommt der Bundestagsabgeordnete Dr. Fritz Felgentreu (SPD) zu Wort.

Eines der Hauptargumente für den Bau von etwa 4700 Wohnungen am Rande des Tempelhofer Feldes ist, dass Berlin bis 2030 mit einem Bevölkerungszuwachs von 250.000 Menschen rechnet. Wie sieht die Prognose für Neukölln aus?

Dr. Fritz Felgentreu: In Neukölln rechnen wir bis 2030 mit einem Zuzug von etwa 20.000 Menschen. Für die brauchen wir 11.000 Wohnungen. Davon können 3000 durch Dachgeschossausbau entstehen und indem man hier und da eine Baulücke schließt. Aber 8000 Wohnungen müssen neu gebaut werden. Das können wir nicht schaffen, wenn wir darauf verzichten, Wohnungen am Rand des Tempelhofer Feldes zu bauen. Es gibt sonst keine Fläche in Neukölln mit Platz für 2000 Wohnungen.

Man kann zwar sagen: Die Leute kommen schon irgendwie unter. Auch wenn wir nicht eine einzige neue Wohnung bauen, würden vermutlich alle ein Dach über dem Kopf haben. Aber ohne Neubau wird es eng und teuer. Meine zusätzliche Befürchtung: Wenn ein Neubau am Tempelhofer Feld verhindert wird, wird das auch woanders in Berlin geschehen. Deswegen bedeuten 100 Prozent Tempelhof für Berlin 100 Prozent Stillstand.

Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben zugesichert, etwa die Hälfte der Wohnungen für sechs bis acht Euro pro Quadratmeter zu vermieten. Finden Sie das günstig?

Dr. Fritz Felgentreu: Fachleute sagen, mit einem normalen Standard ist Neubau in Berlin unter 8,50 Euro pro Quadratmeter nicht möglich. Wenn man billiger anbieten will, muss man quer subventionieren. Das heißt, eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft muss die Möglichkeit haben, eine größere Anzahl von Wohnungen zu bauen, von denen sie die eine Hälfte für eine Miete von sechs bis acht Euro pro Quadratmeter anbieten kann, während sie für die andere zwischen neun und elf Euro verlangt. Die teureren Wohnungen finanzieren so die günstigeren. Das hat den positiven Effekt, dass Menschen mit niedrigerem Einkommen mit Besserverdienenden in einer Siedlung zusammenleben.

Dazu kommt: All die Leute, die auf dem Tempelhofer Feld eine passende Wohnung finden, suchen keine mehr im Reuterkiez oder im Schillerkiez, was sich auf die Mieten dort entlastend auswirkt.

Es ist jahrzehntelang nichts passiert beim Wohnungsbau in Berlin. Hat die Politik geschlafen?

Dr. Fritz Felgentreu: Vor zehn Jahren steckte Berlin noch tief in der Haushaltsnotlage. Wir konnten mit den Einnahmen des Landes unsere Pflichtaufgaben nicht erfüllen. Eine Antwort der rot-roten Koalition war es, den sozialen Wohnungsbau einzustellen. Es standen ja fast 200.000 Wohnungen leer, viele auch in Neukölln. Der rot-rote Senat hat deshalb andere Prioritäten gesetzt. Das Land verkaufte sogar Wohnungen, um Mitarbeitern im öffentlichen Dienst nicht kündigen zu müssen. Nur so konnte Berlin den Landeshaushalt sozialverträglich konsolidieren.

In einem Punkt gebe ich Ihnen allerdings recht: Wir hätten ein bis eineinhalb Jahre früher reagieren können. Um 2010 herum kamen die ersten Warnungen. Die Debatte um das Tempelhofer Feld hätten wir heute aber ganz genauso.

Eines der Hauptargumente der Bebauungsgegner, der Initiative "100 Prozent Tempelhofer Feld" ist die Tatsache, dass es nicht vorrangig um Wohnungsneubau, sondern um die Ansiedlung von Gewerbe geht.

Dr. Fritz Felgentreu: Das ist nicht richtig. Wer sich die Senatspläne ansieht, erkennt, dass die Gewerbefläche erheblich kleiner ist. Und was spricht dagegen, entlang der Autobahn Gewerbe anzusiedeln? Angenehm zu wohnen ist dort kaum möglich. Dafür ist der Wirtschaftsstandort mit seiner Verkehrsanbindung gut gelegen. Wenn sich hier Unternehmen ansiedeln, hat die ganze Stadt etwas davon.

Die Initiative spricht immer von einem "Tempelhofer Feld für alle". Ein Tempelhofer Feld für alle haben wir erst, wenn die Steuereinnahmen von dort auch zur Finanzierung von Schulen und Straßen in Buckow und Rudow beitragen. Das würde nicht nur den Egoismus der benachbarten Kieze bedienen.

Wenn so wenige Menschen aus weiter entfernten Bezirken das Feld nutzen, warum haben dann 185.000 Menschen für das Volksbegehren gestimmt?

Dr. Fritz Felgentreu: Ich begrüße den Volksentscheid. Die Randbebauung ist eine ganz wichtige Zukunftsfrage für die Stadt. Es ist gut, dass alle darüber mitentscheiden. Aber 185.000 von dreieinhalb Millionen Berlinern sind keine demokratische Legitimierung, hier alles so zu lassen, wie es ist. Die Randbebauung dient dem Gemeinwohl. Die Initiative spricht vor allem Partikularinteressen an.

Könnte ein zukünftiger Senat das Versprechen nicht auch brechen, den Rest des Feldes nach der Randbebauung frei zu lassen?

Dr. Fritz Felgentreu: Wieso denn Rest? Es geht um eine Freifläche, die größer ist als der Tiergarten! Dass diese Fläche frei bleibt, soll kein Versprechen werden, sondern Gesetz. Auch Gesetze können geändert werden. Aber eine größere Verbindlichkeit als ein Gesetz gibt es nicht. Man sollte nicht vergessen: Jede Gesetzesänderung braucht im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit.

Es gibt ja auch Bedenken hinsichtlich der geplanten Umgestaltung der Freifläche.

Dr. Fritz Felgentreu: Mit Sitzbänken und Schatten spendenden Bäumen wollen wir die Nutzbarkeit auch für Senioren verbessern. Wenn es nach dem Willen der Initiative geht, wird es das nicht geben, auch keine Duschen, keine Umkleide an den Sportplätzen und keine Gaststätte. Sie wollen alles verhindern, was das Feld verändert. Eine so extrem konservative Haltung bringt uns nicht weiter.

Sylvia Baumeister / SB
Autor:

Sylvia Baumeister aus Neukölln

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