Das Jahresinterview: Im Gespräch mit Franziska Giffey

Franziska Giffey lenkt seit April letzten Jahres als Bürgermeisterin die Geschicke des Bezirks. | Foto: Sylvia Baumeister
  • Franziska Giffey lenkt seit April letzten Jahres als Bürgermeisterin die Geschicke des Bezirks.
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Neukölln. Im April letzten Jahres trat Franziska Giffey (SPD) ihr Amt als neue Bürgermeisterin des Bezirks an. Damit hat zum ersten Mal in der Geschichte eine Frau dieses Amt in Neukölln inne. Im Interview mit Sylvia Baumeister verriet Franziska Giffey, wie die ersten Monate ihrer Amtszeit verliefen und was im neuen Jahr auf den Bezirk zukommt.

? Frau Giffey, Sie sind jetzt seit knapp neun Monaten als Bezirksbürgermeisterin im Amt. Wie ist diese erste Phase für Sie gelaufen?

Franziska Giffey: Es war ein guter Start. Er war sehr intensiv mit vielen zusätzlichen Herausforderungen, mit denen man im April noch nicht gerechnet hat. Vor allem die starke Zuwanderung von Flüchtlingen war in dieser Größenordnung noch gar nicht absehbar, insbesondere, was die Unterbringung in Turnhallen und die Suche nach Alternativen anbetrifft. Im Januar 2015 gab es noch Schätzungen in Berlin von 15.000 Flüchtlingen, Anfang dieses Jahres werden es etwa 75.000 sein.

? Wieviel Turnhallen im Bezirk sind jetzt für Flüchtlinge belegt?

Franziska Giffey: Derzeit haben wir drei Standorte mit fünf Hallen. Denn zwei davon sind Doppelsporthallen. In der Jahnsporthalle sind 180 Personen untergekommen, die Doppelsporthallen am Buckower Damm und am Efeuweg sind mit je 200 Flüchtlingen belegt.

? Die Belegung der Sporthallen kam ja immer sehr plötzlich auf den Bezirk zu, oder?

Franziska Giffey: Ja, auch beim letzten Mal bekamen wir nachmittags einen Anruf, dass jetzt gleich eine Begehung stattfindet. Die Beschlagnahme folgte unmittelbar danach, am Efeuweg auch schriftlich. Das haben wir so eingefordert, weil die Kosten und die Haftung dann aufs Land übergehen und nicht beim Bezirk bleiben. Um 22 Uhr wurde die Halle dann vorbereitet für die Belegung und gegen 0.30 Uhr kamen die Flüchtlinge. Das lief bisher im Prinzip jedes Mal so. Für die betroffenen Vereine und Schulen ist das natürlich immer eine ganz schwierige Situation. Wir versuchen umzuorganisieren, sodass die Vereine in Ausweichhallen trainieren können, es bringt aber auch Einschränkungen mit sich. Für uns wird es zunehmend schwieriger. Der Bezirk hat zwar insgesamt 88 Sporthallen, davon sind aber nur 25 wettkampfgerecht. Zudem liegen die meisten Hallen auf Schulgelände. Wir wollen jedoch nicht, dass sich Schülerströme mit Flüchtlingsströmen mischen. Abgesehen von dieser Problematik bleiben natürlich die bisherigen Arbeitsfelder für Neukölln wichtig.

? Wo setzen Sie denn für das Jahr 2016 die Prioritäten?

Franziska Giffey: Themen wie Bildung, Integration und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind wichtig sowie auch die Stadtentwicklung und die Wirtschaftsförderung. In fünf Teilprojekten bieten wir für innovative Unternehmen und Kreative eine Dienstleistung mit Coachings an, um Arbeitsplätze und die innovative Kraft im Bezirk zu fördern. Auch wollen wir die große Karl-Marx-Straße stärken und die Sonnenallee. Die dritte Bauphase der Karl-Max-Straße beginnt in diesem Jahr. Die großen Schlüsselimmobilien müssen entwickelt werden. Wichtig ist auch die Schaffung neuer Kitaplätze. Wir gehen davon aus, dass wir bis 2018 mindestens 2300 weitere Plätze benötigen, da sind Flüchtlingskinder noch gar nicht mitgezählt. Voraussichtlich im September wird nun auch unsere Jugendberufsagentur eröffnen. Auch laufen in diesem Jahr eine Menge Baumaßnahmen an den Schulen.

? Wieviel Geld nimmt der Bezirk für die Sanierung von Schulen in die Hand?

Franziska Giffey: Wir haben so viel Sanierungsmittel, wie lange nicht mehr. Insgesamt fließen 80 Prozent unseres Hochbau-Etats in die Schulen. Im Jahr 2015 verbauten wir 30 Millionen Euro inklusive Fördergeldern, 2016 werden es 40 Millionen werden, in 2017 investieren wir 50 Millionen. Einige Beispiele: Die Totalsanierung der Ernst-Abbe-Schule wird dieses Jahr abgeschlossen. Beim Leonardo-Da-Vinci-Gymnasium geht es in die heiße Phase der Bauplanung und auch für die Clay-Schule laufen nach dem Architekturwettbewerb die Vorplanungen. Dort ist ja 2018 der Baubeginn vorgesehen. Die Dreifeld-Sporthalle an der Hertabrücke wird in diesem Jahr fertig werden. Weitere große Bauprojekte sind die Schulerweiterungsbauten am Campus Rütli und am Campus Efeuweg, wo die Grundstufe auch zur Ganztagsschule werden soll. In Rudow bauen wir ab dem Frühling zudem eine neue Stadtteilbibliothek.

? Wie geht es dann mit der Seniorenfreizeitstätte an der Alten Dorfschule weiter?

Franziska Giffey: Die Seniorenfreizeitstätte findet vorläufig im Seniorenwohnhaus Harz in der Nähe eine neue Bleibe. In 2017 wird schräg gegenüber auf dem Gelände der Dorfschule eine neue Seniorenfreizeitstätte gebaut, an deren Planung sich auch die Senioren beteiligen können.

? Sie unterscheiden sich insofern von Heinz Buschkowsky, als dass Sie sagen: Wir wollen weg vom Problembezirk, hin zum Innovationsbezirk. Heißt das: Schluss mit dem Gejammer?

Franziska Giffey: Natürlich haben wir riesige soziale Probleme im Bezirk, das ist ganz klar. Und es ist unsere Aufgabe, diese Dinge immer wieder anzusprechen. Aber wir haben auch sehr gute Potenziale und große Chancen. Wir haben Leute, die sich hier sehr engagieren und die jeden Tag dafür arbeiten, dass dieser Bezirk sich in eine gute Richtung entwickelt. Das hat nichts mit einer rosaroten Brille zu tun. Für viele andere Städte in Deutschland, die auch von Zuwanderung betroffen sind, sind wir eine Blaupause. Viele finden uns interessant, weil sie wissen wollen, wie wir die Dinge lösen, mit pragmatischen Lösungen einerseits, aber auch mit viel kreativem Engagement. Ein gutes Beispiel dafür sind die Stadtteilmütter. Wir lösen vieles mit anderen Wegen, als den herkömmlichen. Bei uns ist vieles möglich, das macht Neukölln so besonders. SB

Autor:

Sylvia Baumeister aus Neukölln

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