Heinz Buschkowsky (SPD) fordert zum Handeln in der Integrationspolitik auf

Geht er oder bleibt er? Die Frage, ob Heinz Buschkowsky bis zum Ende der Legislaturperiode bleibt, wird sich in diesem Jahr entscheiden. | Foto: Sylvia Richter
  • Geht er oder bleibt er? Die Frage, ob Heinz Buschkowsky bis zum Ende der Legislaturperiode bleibt, wird sich in diesem Jahr entscheiden.
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Neukölln. Bürgermeister Heinz Buschkowsky regiert in seiner vierten und letzten Amtsperiode den Bezirk. Berliner-Woche-Reporterin Sylvia Richter sprach mit ihm über mögliche Amtsnachfolger, seine Beweggründe für sein Buch, wie er 2012 erlebt hat und was dieses Jahr ansteht.

Ist es das letzte Mal, Herr Buschkowsky, dass wir uns zu diesem Jahresanfangs-Interview treffen? Es wird erzählt, Sie wollten Ihr Amt 2013 an Frau Dr. Giffey abgeben?

Heinz Buschkowsky: Der Name Dr. Franziska Giffey hat in diesem Zusammenhang einen guten Klang. Das könnte ich mir vorstellen. Ein Bürgermeister muss ja nicht zwingend männlich und über 60 Jahre alt sein. Wann der Zeitpunkt allerdings gekommen ist, steht heute noch nicht fest. Ich werde im Juli 2013 meine formale Pensionsgrenze von 65 Jahren erreichen. Ob ich den Antrag auf Verlängerung meiner Amtszeit bis 2016 stellen werde, habe ich noch nicht entschieden. Das hängt im Wesentlichen davon ab, wie ich mich fühle, auch gesundheitlich.

Ihr Buch "Neukölln ist überall" ist im Oktober erschienen. Etwas wirklich Neues zum Thema Integrationspolitik findet man darin nicht. Warum haben Sie es geschrieben?

Heinz Buschkowsky: Ich habe in über 33 Jahren Bezirkspolitik in mir Wissen und Erfahrungen angehäuft, die nicht unbedingt verloren gehen müssen, wenn ich die Tür hinter mir zumache. Auch wenn das Buch mit meiner dienstlichen Tätigkeit nur mittelbar in Verbindung steht. Ich habe das Buch nicht geschrieben, um Neuköllnern ihren Bezirk zu erklären. Es ist geschrieben für Leute, die solche Stadtentwicklungen nicht kennen, sie noch nie gesehen haben und sie eventuell auch nicht sehen wollen. Manches sprengt die Vorstellungskraft der Menschen in den sogenannten besseren Gegenden. In vielen Städten gibt es Entwicklungen, um die wir uns dringend kümmern müssen. Aus demografischen Gründen, aus Gerechtigkeitsgründen, aus wirtschaftlichen Gründen und auch aus Überlebensgründen unserer Gesellschaft müssen wir endlich hinsehen. Deshalb heißt mein Buch auch "Neukölln ist überall". Ich will den Leuten sagen: "Es ist höchste Zeit, endlich etwas zu tun!" Das immer stärker werdende Aufwachsen bildungsferner Schichten können wir uns schlichtweg nicht mehr leisten. Dass die Kinder, die hier geboren wurden, nicht dümmer sind als anderswo, zeigen wir mit der Entwicklung am Albert-Schweitzer-Gymnasium und am Campus Rütli. Das Problem ist aber häufig das Elternhaus, dessen Last und Defizite viele Kinder im Rucksack des Lebens mit sich tragen. Wir müssen ihnen dabei helfen, diesen Ballast abzulegen.

Daher liegt ja der Fokus Ihrer Politik auf der Bildung.

Heinz Buschkowsky: Seit ich Jugendstadtrat war, habe ich den Schwerpunkt meiner Politik immer auf die Förderung der Kinder gelegt. Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, dass es sinnlos ist, sich in einer Art Spätsozialisation an Eltern abzuarbeiten, die gar nicht wollen. Es war der frühere Grünen-Politiker Ratzmann, der den klugen Satz gesagt hat: "Wir brauchen ein Programm: Rettet den kleinen Bruder." Er beinhaltet eigentlich alles. Wenn der große Bruder uns als Intensivtäter schon durch die Lappen gegangen ist, ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der kleine keine Lust hat, ihm nachzueifern. Der Schlüssel hierfür ist Bildung und Erweiterung des Horizonts. Schläger, Schulschwänzer, asoziales Verhalten sind an Gymnasien Seltenheiten. Junge Leute, die Lust auf ein selbstbestimmtes Leben haben und Freude an der eigenen Leistung, verwahrlosen nicht.

Teilweise ernteten Sie Kritik für Ihr Buch, manche werfen Ihnen sogar Rassismus vor. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Heinz Buschkowsky: Mein Buch enthält viele konkrete Vorschläge, was man im Bildungssystem und an der Wirtschaftsstruktur in den sozialen Brennpunkten ändern kann. Die Kritiker haben bei der Auseinandersetzung mit meinen Inhalten eher Diät gehalten. Und wenn es an Argumenten fehlt, bleibt nur noch die Moralkeule. Rassismus ist im Moment ein Modewort, auch wenn viele gar nicht wissen, was es bedeutet. Wenn Sie nur den Hinweis geben, dass polnischstämmige Schüler ihre Schullaufbahn häufiger mit dem Abitur abschließen als zum Beispiel türkischstämmige, dann ist das für einige schon ungeheuerlich. Ich glaube nicht, dass die Neuköllner einen Rassisten mit 43 Prozent zum Bürgermeister gewählt hätten. Ein Bürgermeister muss klare Kanten haben und die Linien seiner Politik müssen für jeden erkennbar sein. Was mich stört, ist Dummschwätzerei wider besseren Wissens. Politik hat den Auftrag, die Gesellschaft zu gestalten und nicht, Fehlentwicklungen beobachtend zur Kenntnis zu nehmen. Oft fehlt aber die Kraft zum Handeln. Wer von allen geliebt werden will und nur nach Harmonie strebt, sollte nicht in die Politik, sondern in einen Gesangsverein gehen.

Wie lief das vergangene Jahr aus Ihrer Sicht?

Heinz Buschkowsky: Wir haben mit 100 Jahre Neukölln, 275 Jahre Böhmen in Neukölln, 50 Jahre Gropiusstadt und 85 Jahre Musikschule ein Jahr der Jubiläen hinter uns. Unsere Schulen haben wir mit 20 Millionen Euro modernisiert. Der Campus Rütli nimmt als Beispiel kreativer Integrationspolitik mit der Fertigstellung der Quartiershalle sichtbare Gestalt an. Er ist noch nicht vollkommen, aber er wird es. Das Gutshofensemble ist fertig. Musikschule und das Museum Neukölln haben dort einen unerhörten Zulauf. Die Menschen nehmen den Standort als Treffpunkt an. Ich habe bisher noch nicht einen einzigen negativen Kommentar dazu gehört. Die rund 16 Millionen Euro, die wir in fünf Jahren dort investiert haben, haben sich gelohnt.

Was kommt dieses Jahr auf den Bezirk zu?

Heinz Buschkowsky: Eine große Herausforderung bleibt weiterhin der Zuzug von Roma aus Bulgarien und Rumänien. Diese Armutswanderung wird anhalten. Die Hilfe des Senats zur Eingliederung dieser Menschen ist aber immer noch zu zögerlich. Wir müssen uns um die Kinder kümmern, die kein Deutsch sprechen und zum Teil noch nie in der Schule waren. Bisher sind es 800, aber es kommt jeden Monat eine neue Klasse hinzu. Das zusätzliche Geld vom Senat in Höhe von 90 000 Euro im Jahr ist da einfach lächerlich. Man unterschätzt im Senat offensichtlich die Tatsache, dass in Neukölln und Mitte derzeit eine neue Bevölkerungsgruppe außerhalb des bestehenden gesellschaftlichen Gefüges entsteht. Natürlich werden wir auch wieder bauen. Zum Beispiel eine neue Sporthalle an der Hertabrücke. Das löst ein jahrzehntelanges Problem für mehrere Schulen. Auch der Bau am Platz der Stadt Hof wird weitergehen, wobei die Öffnung der Ganghoferstraße in die Karl-Marx-Straße geschlossen wird. Mit dem Umbau der Karl-Marx-Straße geht es erst 2014 weiter.

Slyvia Baumeister /
Autor:

Lokalredaktion aus Mitte

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