Reinickendorf. Der Künstler Gunter Demnig hat in Reinickendorf wieder Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus verlegt. An der Residenzstraße 46 waren auch Verwandte von Dr. Siegmund Müller dabei, der 1938 in den Tod getrieben wurde.
Der Reinickendorfer SA-Standartenführer Heidenreich glaubte wohl, ein gutes Werk zu tun, als er am 23. Juni 1938 heimlich Dr. med. Siegmund Müller in dessen Praxis an der Residenzstraße 46 aufsuchte. Der dort seit Jahrzehnten praktizierende Kinderarzt war beliebt und bekannt im Kiez. Der Nazi Heidenreich wollte den jüdisch-stämmigen Arzt warnen vor der am kommenden Tag geplanten Verhaftung.
Müller wusste, was das für ihn bedeuten würde. Schon längst hatte er den antisemitischen Hass der braunen Machthaber zu spüren bekommen. 1934 hatten sie ihm die Zulassung der Betriebskrankenkasse der Berliner Verkehrs AG entzogen, vier Jahre später durfte er auch nicht mehr für die Ersatzkassen arbeiten. Jeweilige Begründung: nichtarische Herkunft. Nach der beruflichen Vernichtung wäre die persönliche gefolgt, vielleicht mit Misshandlung in der Haft, dann in einem Konzentrationslager. Müller schluckte eine Überdosis Veronal-Tabletten. Zunächst überlebte er, starb dann aber an den Folgen am 24. Juni 1938 im Erwin-Liek-Krankenhaus, dem heutigen Humboldt-Krankenhaus.
"Mein Großvater hatte auch den SA-Mann Heidenreich auf die Welt geholt", sagt Müllers Enkel Jürgen Kollath. Das hatte diesen wohl bewogen, ihn entgegen seiner antisemitischen Ideologie zu warnen. Bei Müllers Beerdigung auf dem Friedhof Frohnau an der Hainbuchenstraße 64-76 zeigte sich noch einmal seine Beliebtheit. Die Trauerfeier, die der evangelische Geistliche Hans Walter Dannenberg hielt, war gut besucht.
Ein Leben für die Medizin war dem späteren Arzt Müller eigentlich nicht in die Wiege gelegt. Er wurde am 9. September 1881 in Gelsenkirchen geboren. Sein Vater Levi Müller war Handelsmann, seine Mutter Karoline Müller Hausfrau. Müller studierte jedoch Medizin, und erhielt 1908 seine Approbation. Sein Enkel Jürgen Kollath hat die Begabung seines Großvaters geerbt. Der Röntgenologe ist Chefarzt der Radiologie an der Universitätsklinik in Frankfurt am Main. Und noch eine weitere Enkelin kam zur Stolpersteinverlegung: Die ehemalige Lehrerin Petra Greite aus Starnberg. Insgesamt wurden am 8. August acht Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus verlegt.
Christian Schindler / CS
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