Die Puppen sind wieder zu sehen: Berliner Denkmalgeschichte auf der Zitadelle

Lenins Kopf im Proviantmagazin. | Foto: Christian Schindler
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Haselhorst. Auf der Zitadelle Spandau sind die Puppen zu sehen. Ein großer Teil der steinernen Denkmäler stammt aus der ehemaligen Siegesallee, von den Berlinern damals liebevoll „Puppenallee“ genannt.

Manche sind komplett enthalten, andere haben nicht nur den Kopf verloren. Wieder andere sind nur noch mit ihrem Kopf vor Ort – wie der Lenin aus Ost-Berlin, dessen Platzierung auf der Zitadelle und seine zuvor notwenige Ausgrabung weltweit Medieninteresse geweckt haben. Kunstamtsleiterin Andrea Theissen und ihr Team haben steinerne Zeugnisse politischer Selbstdarstellung gesammelt. Schwerpunkt ist mit mehr als 70 Exponaten die Siegesallee, die Kaiser Wilhelm II. mit insgesamt 96 Denkmälern im Tiergarten errichten ließ, dort, wo bald darauf vergnügungssüchtige Berliner „bis in die Puppen tanzen“ konnten.

Albrecht der Bär ist zurück

Den Anfang macht ein alter Bekannter der Spandauer: Markgraf Albrecht der Bär, der 1157 die Mark Brandenburg gründete, und der von 1978 bis in dieses Jahr auf dem Zitadellenhof stand. Die Denkmäler haben unterschiedliche Schicksale. Viele wurden am Ende des Zweiten Weltkriegs aus Angst vor der Zerstörung durch die alliierten Sieger vergraben, dann wieder geborgen. Ein großer Teil fand zwischendurch Asyl im Kreuzberger Lapidarium.

Die auf gut 850 Quadratmetern versammelten Brandenburger und Preußen sind Originale, nur Königin Luise, seit 2013 wieder im Tiergarten stehend, ist aus Beton. In einem Raum wird medial die Atmosphäre des Tiergarten nacherlebbar gemacht. Genien der Befreiungskriege aus dem Denkmal auf dem Kreuzberg sind in Gips vorhanden.

Auch Lenin, Begründer der Sowjetunion, hat Zerstörung und Ausgrabung hinter sich. Nikolai Tomski, von 1968 bis 1983 Präsident der Akademie der Künste der Sowjetunion, entwarf die 1970 enthüllte, fast 19 Meter hohe Statue. 1991 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain mit 40 zu 33 Stimmen einen Antrag der CDU, das Denkmal zu beseitigen. Sein Kopf wurde schließlich für die Zitadellen-Schau wieder geborgen, schon 2009 stand er im Konzept der jetzt eröffneten Ausstellung. Er wird in einem Raum mit anderen Exponaten aus DDR-Zeiten gezeigt, wie dem Flammengebilde aus der Neuen Wache.

Für die Zeit des Nationalsozialismus steht außer Plänen von Albert Speer mit der das Brandenburger Tor winzig erscheinen lassenden Großen Halle (die nie gebaut wurde) unter anderem der Hartung-Stein, mit dem Nationalsozialisten in Zehlendorf an germanische Traditionen anknüpfen wollten, und der 2011 wieder geborgen wurde. Filme und Modelle zeigen Denkmalkonzepte aus der Weimarer Republik und aus West-Berlin.

Ergänzt wird die neue Dauerausstellung durch zwei Sonderausstellungen zu künstlerischen Sichten auf Denkmäler und zu Denkmalsdebatten in der Alten Kaserne. Für die Realisierung der Ausstellungen (inklusive statischer Ertüchtigung des Proviantmagazins) waren rund 14 Millionen Euro erforderlich. Diese konnte Kulturstadtrat Gerhard Hanke (CDU) über Mittel der Europäischen Union und über die Lotto-Stiftung Berlin akquirieren. CS

Die Ausstellungen (Sonderausstellungen bis 30. Oktober) sind täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet (letzter Einlass 16.30 Uhr). Der Eintritt kostet 4,50 Euro, ermäßigt 2,50 Euro, und berechtigt den Zutritt zu allen Ausstellungen und zum Juliusturm.
Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

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