„Völlig absurd“: Fußball und das liebe Geld – eine Bestandsaufnahme

Ein Sinnbild von Vereinstreue: Holger Seidel, Vorsitzender beim Wittenauer SC Concordia, ist dem Klub vor mittlerweile 45 Jahren beigetreten. | Foto: Michael Nittel
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Berlin. Obwohl die neue Saison in allen Fußballligen längst gestartet ist, endet die Periode für wechselwillige Spieler erst am 31. August. Viele Vereine waren und sind noch immer auf Spielersuche, weil sich viele Kicker bis zuletzt alle Türen offen halten. Berliner Woche-Reporter Michael Nittel sprach mit Holger Seidel, Vorsitzender beim Wittenauer SC Concordia, über Spielerwechsel, Etats, mitunter lächerliche Forderungen und Herzblut.

Haben Sie Ihre Mannschaft für die neue Saison schon zusammen?

Holger Seidel: Ja! Drei Abgänge, sieben Neuzugänge. 1600 Euro eingenommen, 3200 Euro ausgegeben. Alles soweit normal!

Wie hoch ist der Etat für Ihre 1. Herren für eine Saison?

Holger Seidel: Der liegt bei rund 30.000 Euro.

Finden Sie das für ein Team, das in der Landesliga spielt, gerechtfertigt?

Holger Seidel: Absolut! Man darf nicht vergessen, dass darin auch die Gehälter für die Trainer und die Physiotherapeuten und das Trainingsmaterial enthalten sind. Die Aufwandsentschädigung für einen Spieler liegt bei uns im Schnitt also bei rund 1000 Euro für eine Saison. Ich denke, dass das absolut in Ordnung geht.

"Bei einem Azubi kann ich es nachvollziehen"

Viele Vereine bemängeln, dass zahlreiche Spieler nur nach dem Geld schauen. Wie bewerten Sie diese Situation?

Holger Seidel: Ganz generell kann man einem 20-Jährigen, der noch in der Ausbildung ist, doch nicht vorwerfen, dass er versucht, mit seinem Hobby noch ein wenig Geld dazu zu verdienen. Und wenn er irgendwo mehr bekommen kann und sich dann für diesen Klub entscheidet, finde ich das nicht verwerflich. Anders ist es bei Spielern, die im Berufsleben stehen, ordentlich verdienen, und dann wegen 50 Euro die Seiten wechseln. Das leuchtet mir nicht ein.

Können Sie Vereine verstehen, die dieses Verhalten der Spieler und das Feilschen um jeden Euro kritisieren?

Holger Seidel: Ja, keine Frage. Aber ich kritisiere auch die Klubs, die darüber meckern, dieses Spielchen aber munter mitspielen beziehungsweise Jahre lang mitgespielt haben. Die sind für mich nicht glaubwürdig.

Muss man „dieses Spielchen“ nicht mitspielen, um bestehen zu können?

Holger Seidel: Um dauerhaft erfolgreich zu sein, vielleicht. Aber nicht, um bestehen zu können. Unser Etat würde auch 30.000 Euro betragen, wenn wir eine Liga höher, also in der Berlin-Liga, aber auch, wenn wir nur in der Bezirksliga spielen würden. Die Bundesliga gibt da ein gutes Beispiel: Ich finde die Leistungen von Klubs wie Mainz und Freiburg, die mit ihren eher bescheidenen Mitteln in der Lage sind, die Bundesliga zu halten, viel bewundernswerter, als die Leistung von Bayern München, mit ihren Möglichkeiten ständig Deutscher Meister zu werden.

Eine 39-jähriger Spieler wollte allein 3000 Euro für den Wechsel

Was war die absurdeste Forderung, die ein Spieler jemals gestellt hat?

Holger Seidel: Ein Spieler, der damals schon 39 Jahre alt war, wollte 3000 Euro auf die Hand – nur dafür, dass er überhaupt zu uns wechselt. Völlig absurd war auch die Aktion eines unserer Spieler, als Dirk Schröder noch unser Trainer war. Der Spieler kam zu mir und bot an, uns einen neuen Sponsor zu besorgen – und der würde wiederum gleich einen neuen Coach mitbringen. Dabei hatten wir gar nicht vor, uns von unserem Trainer zu trennen oder das Spielzeug eines neuen Sponsors zu werden.

Wünschen Sie sich manchmal die Zeiten zurück, in denen Spieler einem Verein auch mal über einen längeren Zeitraum die Treue geschworen haben?

Holger Seidel: Diese Spieler mag es in der Häufigkeit nicht mehr geben wie früher – aber es gibt sie definitiv noch immer: Als Beispiele nenne ich Niels Degenkolbe und Benjamin Ahrens – die haben bei uns mit Anfang 20 angefangen und hätten durchaus höherklassig spielen können. Aber sie tragen unser Trikot nach über zehn Jahren noch immer mit Leidenschaft und Herzblut. Das sollten wir bei aller Hysterie auch nicht vergessen.

Autor:

Michael Nittel aus Reinickendorf

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