Von der „Bücherstube“ zum Bildungsort

Mit dem Bilderlexikon in der gelben Leinentasche geht das Lesen los. Sie verstehen viel von Leseförderung: Anke Haas-Mathias, Engelbrecht Boese und Jutta Kaddatz. | Foto: KEN
  • Mit dem Bilderlexikon in der gelben Leinentasche geht das Lesen los. Sie verstehen viel von Leseförderung: Anke Haas-Mathias, Engelbrecht Boese und Jutta Kaddatz.
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Schöneberg. Wer nicht richtig lesen kann, hat schlechte Chancen im Leben. Deshalb stellt die Berliner Woche im Rahmen der Aktion „Das geht uns alle an!“ Akteure vor, die sich dafür einsetzen, dass Menschen besser lesen können.

„Eine Bibliothek ist längst keine Bücherstube mehr“, ist Bildungsstadträtin Jutta Kaddatz (CDU) überzeugt. Und in punkto Lesen fördere die Stadtbibliothek schon seit vielen Jahren, sagt Anke Haas-Mathias, Leiterin der Kinderabteilung der Theodor-Heuss-Bibliothek; schon lange, bevor nach Pisa-, OECD- oder LEO-Studien wegen mangelnder Lesekompetenz von Kindern und Erwachsenen in Deutschland Alarm geschlagen wurde. Den Zustrom von Flüchtlingen im vergangenen Jahr sehen die Bibliotheksverantwortlichen zwar als „gewaltige Herausforderung“, wie es Stadtbibliothekschef Engelbrecht Boese formuliert, aber keineswegs als unlösbares Problem. Anke Haas-Mathias und ihr Team arbeiten seit gut anderthalb Jahren daran, für die Flüchtlingskinder in den Willkommensklassen sogenannte Lese- und Lernpäckchen zu erarbeiten. Eine erste Begegnung mit der Bibliothek haben Flüchtlingskinder, aber nicht allein sie, durch die „Fühlbeutel“: im bunten Sack sind ein Bibliotheksausweis, eine PC-Maus und anderes Typisches mehr zu ertasten.

Weil die Theodor-Heuss-Bibliothek für Flüchtlingskinder zu einem wichtigen Ort geworden ist, hat der Bezirk die Öffnungszeiten bis 20 Uhr verlängert und hält sie auch sonnabends geöffnet.

Sorgen macht Stadträtin Kaddatz die mangelnde Raumkapazität. „Wir brauchen anders gestaltete Räume, Arbeitsräume, Ruhezonen, ein Café“, sagt sie. Kaddatz und ihr Fachbereich trauern noch immer der verpassten Chance auf den Umzug in das ehemalige Hertie-Gebäude nach. Es müsse dringend in Um- oder Neubau investiert werden. Sonst rechne sich der Betrieb einer Bibliothek auf Dauer nicht. Das Haus in der Hauptstraße 40 ist Schöneberger Mittelpunktbibliothek und Ort für viele Aktionen der Leseförderung. In diesem Bereich sei man Spitze in Berlin, so Engelbrecht Boese.

Das vielfältige Leseförderangebot wird angenommen. Das beweisen wichtige Kooperationspartner – neben den Vereinen „Lesewelt“, „Erzählzeit“ und „Märchentage“ ist es das Kinderliteraturhaus – sowie einschlägige Zahlen aus dem Vorjahr. Zu den 112 Sonderveranstaltungen kamen über 3000 Teilnehmer. Veranstaltungen im Rahmen der „normalen“ Kooperation mit Kitas und Schulen besuchten 3700 Kita-Kinder, rund 2700 Grundschüler und 900 Oberschüler. Das neueste Angebot für Erst- bis Sechstklässler: „Lesen aus der Kiste“. Spannende und lustige Bücher werden von Arbeitsbögen begleitet, es sind fünf Fragen zur jeweiligen Geschichte richtig zu beantworten.

Am beliebtesten ist wohl die Leseaktion „Büchertürme: Da wollen wir rauf“. Grundschüler müssen viele Bücher lesen, um die Turmhöhe eines markanten Gebäudes zu erreichen. In diesem Jahr ist der Ullsteinturm an der Reihe. Er ist 77 Meter hoch, was 3850 Büchern entspricht.

Schon ein Klassiker in der Theodor-Heuss-Bibliothek ist das „Bilderbuch-Kino“ für Kinder ab vier Jahren. Etwas jünger ist die gemeinsame Aktion mit geschulten Ehrenamtlichen von „Lesewelt“: „Wir lesen vor!“, auch das laut Anke Haas-Mathias ein großer Erfolg, ebenso wie die Lesefeste in Zusammenarbeit mit Grundschulen.

Neu aufgelegt ist „Das kleine Gespenst spukt auch digital“ über die digitalen Angebote der Bibliothek. Beim Gebrauch von Tablets und Apps zu Kinderbüchern seien viele Eltern noch ratlos, sagt Engelbrecht Boese. „Aber wir haben kompetente Mitarbeiter, die abschätzen können, was gut ist.“

Mitte Juli startet erneut die „Ferienleseaktion“. In diesem Jahr ist Berlin Thema. Bis Oktober sollen Kinder bis elf Jahre dazu möglichst viele Titel lesen. Selbstverständlich gibt es dabei etwas zu gewinnen. Ältere Kinder können bei „Wer liest, versteht“ ihre Lesekompetenz überprüfen. 2015 waren zudem zehnte Klassen zu Gast – zur Vorbereitung auf den mittleren Schulabschluss. Doch Anke Haas-Mathias betont: „In der Bibliothek sollte immer der Spaß im Vordergrund stehen.“ KEN

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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