Bedrückende Bilder: Ausstellung dokumentiert die Nachkriegszeit in Schöneberg

29. August 2015
Jugend Museum, 10827 Berlin
Der Fotograf Herwarth Staudt mit seiner Kamera auf dem häuslichen Balkon. | Foto: Staudt
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  • Der Fotograf Herwarth Staudt mit seiner Kamera auf dem häuslichen Balkon.
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Schöneberg. Mit einer Ausstellung im Jugend Museum erinnern Museumsleiterin Petra Zwaka und Kuratorin Irene von Götz an Schöneberg in der Nachkriegszeit.

70 Jahre nach Kriegsende zeigt „Ruinen und Rolleiflex“ in eindruckvollen Bildern des Fotografen Herwarth Staudt sowie in Dokumenten aus den Beständen des Bezirksmuseums, wie es zwischen 1949 und 1957 aussah.

Im Auftrag des Schöneberger Baulenkungsamts hat Staudt mit Unterstützung seiner Frau Rut, auch sie eine professionelle Fotografin, Hunderte von Ruinen und Trümmergrundstücke im Bild festgehalten.

Schöneberg gehörte zu den am stärksten zerstörten Stadtteilen. 60 Prozent aller Gebäude lagen in Trümmern. 35 000 Wohnungen waren verlorengegangen. „Ganze Straßenzüge existierten nicht mehr und waren zur Trümmerwüste geworden“, schreiben die Publizistin Gudrun Blankenburg und Irene von Götz im Begleitbuch.

Im Mittelpunkt der Schau stehen die Ruinenbilder Herwarth Staudts von geradezu pompeijanischer Anmutung, wüsste man nicht um die bedrückende Wahrheit ihrer Entstehung. Geordnet sind die Fotos nach bekannten Plätzen. Ihnen gegenüber gestellt werden historische Postkartenansichten und aktuelle Aufnahmen.

In einem weiteren Raum werden Gebäude gezeigt, die nicht mehr existieren: unter anderem die Synagoge in der Münchener Straße, während der NS-Zeit nicht maßgeblich beschädigt und 1956 trotzdem abgerissen mit der Begründung, sie habe „ihre Funktion verloren“; der 81 000 Kubikmeter umfassende, 1944 zerstörte und Anfang der 50er-Jahre vollständig abgeräumte Gasbehälter an der Augsburger Straße (heute Fuggerstraße), auf dessen Areal heute die Finow-Schule steht, und das Hohenzollern-Reformgymnasium an der Martin-Luther-Straße. An seiner Stelle, den Hausnummer 70-74, stehen heute Wohnhäuser.

Staudts Werkzeug war eine Rolleiflex. Die handliche zweiäugige Spiegelreflexkamera aus Braunschweig war nicht allein bei Pressefotografen beliebt. Auch Helmut Newton beispielsweise hat gerne und sehr oft mit dieser Mittelformatkamera fotografiert.

Herwarth Staudt hat aber nicht bloß zerstörte Gebäude dokumentiert. Als Pressefotograf für Keystone und den Deutschen Pressedienst 1948 und 1949 wollte er zugleich eine Vorstellung geben vom Leben und Alltag in dieser Zeit. So sieht man Trümmerfrauen bei der Arbeit, in Ruinen spielende Kinder, Markttreiben vor dem Rathaus, lange Schlangen vor Bankfilialen nach der Währungsreform, Szenen aus der Zeit der Berliner Luftbrücke, Tierhaltung auf dem Dach und in der Küche, Schlittenfahren am Insulaner oder Seifenkistenrennen. Die bislang unbekannten Aufnahmen hat die Familie Staudt zur Verfügung gestellt. Herwarth und Rut Staudt waren sich der zeithistorischen Dimension ihrer Fotografien bewusst und verkauften 1988 rund 5000 Fotos dem Museum.

Zum Begleitprogramm der Ausstellung bis 30. Dezember gehören neben einem Workshop für Kinder und Jugendliche der 5. bis 10. Klasse ein Zeitzeugengespräch (22. September 18 Uhr), Führungen durch den Hochbunker in der Pallasstraße (17. und 18. Oktober 14 Uhr) sowie eine Lesung mit der Autorin und Stadtführerin Gudrun Blankenburg (5. November 19.30 Uhr).

Für ihre Masterarbeit an der Freien Universität Berlin sucht Laura Throckmorton Schöneberger für Zeitzeugengespräche: l.throck@fu-berlin.de. KEN

Die

Ausstellung ist im Jugend Museum, Hauptstraße 40/42, sonnabends bis donnerstags 14 bis 18 Uhr und freitags 9 bis 14 Uhr geöffnet, www.jugendmuseum.de..
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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