Der Hochbunker in der Pallasstraße und seine Geschichte

Er kennt jedes Detail zur Geschichte des Hochbunkers: Bodo Förster, hier zusammen mit Schönebergs Quartiersmanagement-Koordinatorin Corinna Lippert. | Foto: KEN
4Bilder
  • Er kennt jedes Detail zur Geschichte des Hochbunkers: Bodo Förster, hier zusammen mit Schönebergs Quartiersmanagement-Koordinatorin Corinna Lippert.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Schöneberg. Selbst bei sommerlicher Hitze ist es kalt in dem massigen Bauwerk. Kein Wunder, seine Außenwände sind 3,30 Meter stark. Ein Besuch mit Bodo Förster im Hochbunker in der Pallasstraße.

Förster war Geschichtslehrer an der benachbarten Sophie-Scholl-Schule, deren Historie eng mit dem Betonkoloss verbunden ist. Er hat viele Jahre intensiv zu Bunker und Schule geforscht. Er kennt hier jeden Stein und so gut wie alles, was man sich erzählt.

Die Tour beginnt draußen und mit Erinnerungsarbeit. Briefe und Besuche ehemaliger Zwangsarbeiterinnen in den 90er-Jahren führten in der Schule zu einer, oft schmerzhaften, Auseinandersetzung mit den dunklen Kapiteln deutscher Geschichte, die bis heute anhält. Herausragend ist der „Ort der Erinnerung“. Das Gedenkprojekt haben Schüler der Leistungskurse Kunst und Politische Weltkunde konzipiert. Es wurde vom Quartiersmanagement Schöneberg-Nord finanziert und 2002 eingeweiht. Parallel zum Gehweg in der Pallasstraße steigt vom Bunker zur Schule eine blaue Mauer an. Ihre Farbe verweist auf die diskriminierenden Aufnäher, die „Ostarbeiter“ an ihrer Kleidung tragen mussten.

Auf dem Schulhof beginnt die Reise in die düstere Geschichte des Ortes. 1832 als „Neue Töchterschule“ gegründet und 1915 als „Königliche Augusta-Schule“ hierher verlegt, wurde die Einrichtung wegen der sich häufenden Luftangriffe auf Berlin im September 1943 evakuiert.

Aus demselben Grund gefährdet war das kriegswichtige Fernmeldeamt I in der Winterfeldtstraße. Seine Anlagen galt es in einem Technikbunker zu schützen. Unmittelbar nach dem Auszug der Schüler und Lehrer begannen die Bauarbeiten für den Hochbunker auf dem benachbarten Grundstück. Bauakten hat Bodo Förster trotz intensiver Recherche nicht finden können. Womöglich sind sie verbrannt oder in einem Archiv getarnt abgelegt.

Die Schule wurde Lager für die Zwangsarbeiter des Bunkerbaus. Es war von außen als solches nicht zu erkennen. Es hatte weder Stacheldraht noch Wachtürme. In den Klassenzimmern waren jeweils bis zu 30 Menschen untergebracht, darunter viele Familien mit Kindern.

Erwachsene und Jugendliche ab 16 Jahren mussten täglich zwölf bis 14 Stunden schuften. Die Arbeit war hart und gefährlich. Zu essen gab es heißes Wasser mit „Russenbrot“, das heißt Brot mit Sägespänen vermengt, und eine Suppe, in der vielleicht einmal ein Stücken Rübe schwamm. Mit der Suche nach Essbarem im Kleistpark, mit Putzen und Kartoffelschälen bei Deutschen versuchten die Lagerinsassen, ihren schlimmen Hunger etwas zu stillen. Manchmal halfen Anwohner und schoben Essensmarken unter dem Zaun hindurch. Obwohl es verboten war, suchten Zwangsarbeiter und Schöneberger zu Hunderten im Bunker Schutz vor den Bomben der Alliierten.

Fertig war der Bau bei Kriegsende nicht. In den 50er-Jahren mauerte der Bezirk Schöneberg die Türen zu und zog einen Drahtzaun hoch. Das Grundstück befand sich in verwahrlostem Zustand.

Bodo Förster bringt uns zu einer schmalen Treppe am Bunker, die nach unten führt. Kalte und stickige Luft schlägt einem entgegen, als der pensionierte Lehrer die Stahltür öffnet. Es gibt nichts außer langen Fluren, Treppenhäusern ohne Geländer und gigantischen, langgestreckten Raumfluchten.

Der Hochbunker hat noch eine zweite Geschichte als ABC-Zivilschutzanlage. Im Oktober 1986 wurde mit dem dreijährigen Ausbau begonnen. „Das war eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für West-Berlin“, sagt Bodo Förster. Rund zehn Millionen D-Mark wurden verbaut, um 4800 Schutzplätze zu schaffen. Zwischendurch drehte hier Wim Wenders seinen Film „Der Himmel über Berlin“. 2009 wurde der Koloss auf Beschluss der BVV unter Denkmalschutz gestellt. KEN

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

19 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 242× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 205× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 117× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 235× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.568× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.