Feier des Bezirks zum Holocaust-Gedenktag

In der ersten Reihe: Schulleiter Jörg Balke mit Bürgermeisterin Angelika Schöttler und Waltraud Rosenthal (rechts). Das Ausstellungsprojekt "Wir waren Nachbarn" widmet ihrem Mann und dessen Vater ein neues Album. | Foto: KEN
2Bilder
  • In der ersten Reihe: Schulleiter Jörg Balke mit Bürgermeisterin Angelika Schöttler und Waltraud Rosenthal (rechts). Das Ausstellungsprojekt "Wir waren Nachbarn" widmet ihrem Mann und dessen Vater ein neues Album.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Schöneberg. Seit 2005 ist der Tag der Befreiung von Auschwitz, der 27. Januar 1945, Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Wie im Vorjahr fand in diesem Jahr die Tempelhof-Schöneberger Gedenkveranstaltung im Rückert-Gymnasium statt. Schwerpunkt waren Flucht- und Überlebensgeschichten.

Da der Ort der Gedenkfeier eine Schulaula war, hatten sich die drei Veranstalter, der Verein „Frag doch“ mit seinem Ausstellungsprojekt „Wir waren Nachbarn“ (www.wirwarennachbarn.de) im Rathaus Schöneberg, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und die Deutsch-Israelische Gesellschaft, entschlossen, Schülerinnen des Rückert-Gymnasiums als Reporterinnen Vertreter der drei Veranstalter zu ihrer Arbeit zu befragen.

Ebenso wurden die ausgewählten Zeitzeugen anhand von Ton- und Filmdokumenten vorgestellt. Bildungsstadträtin Jutta Kaddatz (CDU) sagte, die Zeitzeugen gäben authentisch über ihr Leben Auskunft, über eine Zeit, die heute nur aus Geschichtsbüchern bekannt sei. „Wir können nur hoffen, dass dies dazu führt, dass sich junge Menschen mit der NS-Zeit, ihren Wurzeln und ihren Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern auch aus eigenem, engagierten Interesse heraus auseinandersetzen und daraus für die Gegenwart, aber selbstverständlich auch für unser aller Zukunft zu lernen“, so Kaddatz.

Die Zeitzeugen, die in den Videobeiträgen zu Wort kamen, sprachen von Flucht und Exil, im Fall der bald 92-jährigen Hanni Lévy vom Untertauchen und Überleben in der Stadt mithilfe christlicher Nachbarn, die dabei selbst ihr Leben riskierten.

Ilja Bergh (1927-2015), der mit seinen Eltern nach Kiew geflohen war und anschließend im dänischen Exil lebte, hatte nach dem Krieg keine Heimat mehr, wie er selbst von sich sagte. Bergh betonte aber immer, dass er „ein Europäer mit drei Beinen“ sei: in Kopenhagen, in München und im höheren Alter wieder in Berlin, der Stadt seiner Kindheit.

Inge Lammel (1924-2015) entkam der NS-Verfolgung mit dem Kindertransport nach England 1938/39 und kehrte nach Kriegsende nach Ostberlin zurück. Noch im hohen Alter hat sich Lammel für die bezirkliche Erinnerungskultur in Pankow engagiert, insbesondere mit Nachforschungen zur Geschichte der vertriebenen Juden aus diesem Bezirk. Dafür erhielt sie 2012 das Bundesverdienstkreuz.

Schulleiter Jörg Balke merkte an, dass der Abstand zu den Ereignissen bereits drei Generationen betrage. „Es war die Generation der Urgroßväter und Urgroßmütter, die vielfach weggeschaut hat.“ Aus Tempelhof und Schöneberg wurden mehr als 6000 Menschen deportiert. „Was bleibt, ist die Verantwortung“, betonte Balke. „Schaut genau hin, wenn heute Ungerechtigkeit, Fremdenfeindlichkeit und die Ablehnung von Minderheiten wieder Einzug in den Alltag halten, ob auf der Straße oder in den sozialen Netzwerken.“

Bürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) zog Parallelen zwischen der Flucht der Juden und den heutigen Fluchtbewegungen. Es sei wichtig, dass es Länder gebe, die die Flüchtenden aufnehmen. „Das lehrt uns die Geschichte.“ Allerdings sei die heutige Flüchtlingskrise eine Krise der Weltpolitik, in der Macht- und Wirtschaftsinteressen es unmöglich machten, dass die Vereinten Nationen im syrischen Bürgerkrieg friedenstiftend intervenieren könnten, meinte Schöttler.

Auch an anderen Orten im Bezirk wurden Gedenkfeiern abgehalten, so am 25. Januar an den Stolpersteinen vor dem Haus in der Pallasstraße 12. Auf Initiative des Schöneberger Dokumentarfilmers Bertram von Boxberg erinnerten Teilnehmer an die Familie Borchardt, die 1942 von den Nazis ausgelöscht wurde. KEN

In der ersten Reihe: Schulleiter Jörg Balke mit Bürgermeisterin Angelika Schöttler und Waltraud Rosenthal (rechts). Das Ausstellungsprojekt "Wir waren Nachbarn" widmet ihrem Mann und dessen Vater ein neues Album. | Foto: KEN
Ein Foto aus glücklichen Tagen: Ilja Bergh als Vierjähriger mit seiner Familie 1931. | Foto: privat/KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

19 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 242× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 209× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 126× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 236× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.569× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.