Ein Spaziergang über den Alten Kirchhof

Imposante Mausoleen säumen den Hauptweg auf dem Alten Kirchhof. | Foto: KEN
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Der Alte Kirchhof Schöneberg liegt wie ein offenes Geschichtsbuch vor seinen Besuchern.

Groß ist er nicht, so eingeklemmt wie er zwischen Hauptverkehrsstraßen und Wohnhäusern daliegt. Gerade einmal zwei Hektar umfasst die Begräbnisstätte der evangelischen Kirchengemeinde Alt-Schöneberg. Vermutlich existierte der Friedhof schon im 13. Jahrhundert – wie die Kirche, heute Dorfkirche genannt, die nach einem Brand im 16. Jahrhundert und der Zerstörung im Siebenjährigen Krieg wiedererbaut wurde.

Sanft steigt das Gelände von der Belziger Straße im Norden zur Hauptstraße im Süden an; eine grüne Oase mit vielen alten großen Bäumen. Links und rechts des Hauptwegs stehen Erbbegräbnisstätten und Mausoleen. Sie berichten über Familien und deren Schicksale, von Heimat- und Weltgeschichte. Wir erfahren vom frühen Tod einer Charlotte, die mit nur 20 Jahren im Dezember 1918 stirbt; von Eltern, die ihre beiden heranwachsenden Töchter überleben oder von einer „alten Mutter“, die ihren Sohn überlebt. Einige alte Mausoleen sind zu Urnenhallen umgewandelt, andere befinden sich noch in Familienbesitz.

Weltgeschichte tritt einem gegenüber, wenn man vor dem Grab eines jungen Fähnrichs steht. In dessen Gedenkstein ist eingraviert, dass der 19-Jährige am 1. November 1914 in Dixmuiden verwundet wird und acht Tage später seinen Verletzungen erliegt. Die Stadt in Westflandern war im Ersten Weltkrieg heftig umkämpft. Oder ein Grabstein erzählt von Vater und Sohn, beide Soldaten, der Vater Major, der Sohn Unteroffizier und Pilot, die im Abstand von fünf Monaten fallen. Gleich am Eingang in der Belziger Straße steht der Grabstein eines Mannes, der am 6. Mai 1945 starb, zwei Tage vor der deutschen Kapitulation.

Für Schöneberg bedeutende Persönlichkeiten ruhen hier: die Architekten Friedrich Ludwig Wilhelm Stier (1799-1856) und Franz Heinrich Schwechten (1841-1924), die Kommunalpolitiker Walter Voßberg (1880-1910), Johann Adolpf Albert Friedrich Feurig (1830-1890), Fritz Heyl (1833-1908) und Gustav Adolph Müller (1846-1904), der Theologe und Historiker Ferdinand Ludwig Frege (1804-1883) und der Widerstandskämpfer und Jurist Friedrich Justus Leopold Perels (1910-1945), nicht zu vergessen Mitglieder der Schöneberger Bauernfamilie Willmann, die nach 1760 aus einem Dorf beim Kloster Lehnin zugezogen war.

Beim Gang über den Kirchhof wird deutlich, wie persönlich Grabnschriften früher gehalten wurden. „Unserem Liebling zum Gedenken“, lesen wir und „meine geliebte Fee“, „Müh und Arbeit war sein Leben“ oder „Rührende Herzensgüte und nie rastende Fürsorge waren die Seele seines Waltens bis zur letzten Lebensstunde“.

Selten fehlt die Berufsbezeichnung: Fuhrherr, Baurat, Bahnmeister, Stadtrat, Amtsgerichtsrat und Rittergutsbesitzer. Auch ein „Professor und Lehrer“, „Altmeister der Trompetenkunst“ ist dabei.

Vielgestaltig sind die Begräbnisstätten und Mausoleen, gleichsam Zeugen eines sich wandelnden Zeitgeschmacks: vom Rokoko des Epitaphs für den königlichen Hoftapezierer, „Tapcirer“ Thomas Feger (1643-1718), an der südlichen Kirchenwand bis zu Art Déco-Grabmälern. Dem Alten Kirchhof Schöneberg ist also viel Interesseantes abzugewinnen; täglich ist er von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang geöffnet. Der Kirchhof liegt inmitten von Wohnhäusern.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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