Großes Potenzial, geringe Chancen: GIZ hilft Migrantinnen und geflüchteten Frauen

Sie nehmen die Herausforderung an: Mervet Ata (2. von links) mit Afaf, Amal, Sanaa und den anderen Frauen. | Foto: Ulrike Kiefert
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Spandau. Männer dürfen in Fußballvereinen mitspielen, sie bekommen Deutschunterricht, für sie werden Praktika und Jobs gesucht. Für Frauen aber ist das Integrationsangebot viel geringer. Einen Beitrag leistet die GIZ.

Draußen gehen die Spandauer geschäftig ihrem Alltag nach. Drinnen sitzt ein Dutzend Frauen über heißem Kaffee. Ein Baby döst im Wagen. Immer freitags trifft sich im ersten Stock der Jüdenstraße 30 die „Offene Runde für Migrantinnen und geflüchtete Frauen“. Es ist ein Angebot des „Willkommen-in-Arbeit-Büro“, das eine Etage tiefer sitzt. Träger ist die Gesellschaft für Interkulturelles Zusammenleben GIZ.

Die Frauen sitzen zwar gern einfach nur zusammen, um sich auszutauschen. Aber sie haben auch ein Ziel: möglichst schnell gutes Deutsch sprechen, bis sie arbeiten, studieren oder sich beruflich selbstständig machen können. Denn eines haben alle gemeinsam: Während die Gesellschaft draußen über Flüchtlinge und Ausländer diskutiert, wissen sie genau, was sie wollen und wer sie sind. Da ist Afaf aus Damaskus (Syrien), 38 Jahre alt, Erzieherin. Sie lebt mit Mann und Kind in einer Flüchtlingsunterkunft. Wenn sie besser Deutsch versteht und hier bleiben kann, sagt Afaf, will sie wieder Erzieherin sein. Da ist Amal, 29 Jahre alt, verheiratet, zwei Töchter. Sie kam mit ihrem Mann nach Deutschland, der hier Medizin studierte und jetzt in einer Berliner Klinik arbeitet. Sie selbst studierte im Jemen Computersoftware, brach später aber ab. Für das, was sie einmal sein will, hat sie noch keinen Namen. Und dann sind da noch Siba, die junge Ingenieurin aus Jordanien, die Bürokauffrau Sanaa, die Hausfrau Chadia und die Sozialpädagogin Lozan aus dem Libanon. „Alles starke Frauen“, sagt Mervet Ata, Leiterin der Frauenrunde. „Und klug dazu.“ Aber mit zu wenig Chancen.

Viele Frauen nutzen die Angebote nicht

Das hat viele Gründe. In den Flüchtlingsheimen nehmen oft nur wenige Frauen an allen Angeboten teil, die die ehrenamtlichen Helfer auf die Beine stellen. Sie sind oft sehr viel weniger sichtbar als die Männer und die Kinder. Zum einen kommen viele Frauen aus Ländern, in denen sie nicht gleichberechtigt sind. Nicht alle durften erwerbstätig sein, viele sind traditionell ans Haus gebunden. Oder sie kommen aus Kulturen, in denen eine Frau sich nicht allein unter fremden Männern zeigen darf. Das ändert sich durch die Flucht nicht. „Und so nutzen viele Frauen die Angebote nicht. Nicht, weil sie nicht interessiert sind, sondern weil sie nicht können“, sagt Mervet Ata. Migrantinnen wiederum bekommen oft ihre Abschlüsse nicht anerkannt, müssen von vorn beginnen oder umsatteln, zum Beispiel in die berufliche Selbstständigkeit. Doch auch hier fehlt es an ganz speziellen Programmen für Frauen. „Dabei steckt in ihnen ein so großes Potential, auch für unsere Gesellschaft“, sagt Mervet Ata. „Sie wollen lernen, studieren und sich einbringen.“ Wie groß diese Motivation ist, erlebt sie jedes Mal in der Frauenrunde. Wenn Sanaa, Amal und die anderen ungeduldig vor ihr sitzen und am liebsten sofort loslegen würden, und wie sie jedes Mal selbstbewusster werden, weil sie ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen erkennen.

Spracherwerb, Alltags- und Gesundheitsfragen werden besprochen

Die offene Frauenrunde als Teil eines breiten Programms von GIZ und „Willkommen-in-Arbeit-Büro“ hilft ihnen dabei. Seit Februar bietet sie den Teilnehmerinnen einen niederschwelligen Zugang zur ersten Berufsorientierung. „Das erreichen wir dadurch, dass wir den wichtigen Themen Spracherwerb und Alltagsbewältigung genug Raum zur Diskussion geben“, erläutert Michael Arri von GIZ. Dazu erhalten die Frauen wichtige Infos zu den Chancen einer beruflichen Selbstständigkeit, zu Gesundheitsfragen, Bildungs- und Erziehungsthemen. Über das „Willkommen-in-Arbeit-Büro“ können die Frauen in Berufsberatungsgespräche vermittelt werden, nehmen Kontakt zu Arbeitsagentur und Jobcenter auf.

Natürlich wird die berufliche Integration nicht bei allen Frauen gleich gut gelingen. Und nicht jede wird bleiben können. Aber fast alle haben konkrete Vorstellungen, wie es mit ihnen weitergehen soll. Amal würde gern im Home Office für eine Computerfirma tätig sein. Auch Chadia, 41 Jahre alt, will arbeiten. Sie hat früh geheiratet, zwei ihrer Kinder sind schon erwachsen und studieren in Italien und im Libanon. Und die anderen? „Ich will unbedingt wieder eine Sozialpädagogin sein“, sagt Lozan. „Das will ich schaffen.“ uk

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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