Tempelhof. Amüsiert hantiert die 18-jährige Schülerin Dorina Ivanow aus Alt-Tempelhof mit der Musikmaschine und ihrem komischen Tonträger. Sie betrachtet das Gerät wie ein Relikt aus grauer Vorzeit. Dabei sind seit der Erfindung gerade mal 50 Jahre vergangen.
Im September 1963 revolutionierte der niederländische Philips-Konzern im Rahmen der Internationalen Funkausstellung in Berlin die Unterhaltungselektronik mit einer Weltsensation: die erste Compakt-Cassette (CC) und ein mit (den kurz zuvor entwickelten) Transistoren bestückter Kassettenrekorder als Abspielgerät kam auf den Markt. Der "Philips EL 3300" kostete stolze 299 DM (der Stundenlohn eines Facharbeiters lag zwischen drei und vier Mark zu dieser Zeit) und konnte zunächst nur mit fünf Babyzellen-Batterien betrieben werden. Die dazugehörige welterste Compact-Cassette nach dem Zweiloch-Prinzip wurde noch mit Schrauben und Muttern zusammengesetzt und war etwas schwerer als die bald darauf folgenden Varianten unterschiedlicher Hersteller. Anfangs fehlten lediglich die späteren Löschsicherungen.
Damit war unweigerlich das Ende der vergleichsweise klobigen Tonbandgeräte mit ihren großen, pflegeintensiven und oft "Bandsalat" produzierenden Spulen eingeläutet, zumal Kassettenrekorder auch noch wesentlich einfacher zu bedienen waren. Als Alternative zur LP gehörte der Rekorder denn auch in fast jedem Haushalt und in vielen Autos jahrelang zum Inventar. Auch die daraus hervorgegangenen, auf Hosentaschenformat geschrumpften Diktiergeräte und Walkmans waren stark gefragt und allerorten im Einsatz. Heute ist diese einst unverzichtbar scheinende Technik schon wieder von Vorgestern und - wenn überhaupt - noch in einigen Kinderzimmern mit Großvaters alten Kassetten in Gebrauch. "Meine Musik hole ich mir vor allem aus den Computer", sagt Dorina.
Für den MedienPoint Tempelhof, Werderstraße 13, der gegebene Anlass, vom 8. bis 26. Juli eine Ausstellung zur Geschichte der CC und ihrer Rekorder zu präsentieren. Zu diesem Zweck werden noch entsprechende Leihgaben gesucht, die bis spätestens Ende der 1970-er Jahre gebaut wurden. Je früher, desto besser.
Wer helfen kann, erfährt alles Weitere Montag bis Freitag 9 bis 15 Uhr unter 78 89 31 94.
Horst-Dieter Keitel / hdk
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